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Bravo vs. NFP

Ich habe die Pille fast mein halbes Leben lang geschluckt. Besondere Probleme hatte ich nicht mit ihr. Dachte ich. Seit über einem Jahr bin ich pillenfrei und rückblickend wünschte ich, ich hätte sie nie genommen.

Ich war gerade fünfzehn geworden, als ich mein erstes Mal hatte. So toll war’s garnicht, aber wie das bei Mädels in dem Alter so ist, wurde viel Tamtam drum gemacht. Wir verhüteten damals mit Kondom. Etwa jeder in meinem Freundeskreis schleppte in dem Alter ein Kondom mit sich herum, seit er Sex buchstabieren konnte, Verhütung war also kein Problem. Trotzdem, zum Frau-werden gehörte irgendwie auch die Pille dazu. Da meine Eltern nichts von meinen sexuellen Aktivitäten ahnten, gab es keinen Grund, meine Mutter mit dem Thema Pille oder Frauenarzt zu konfrontieren. Ich machte mir einen Termin bei einer Frauenärztin, bekam das Rezept und fing mit fünfzehn Jahren an, Hormone einzunehmen.

Ich war in meinen jungen Jahren wohl etwas, naja, schwierig und ließ nichts anbrennen. Kondome verwendete ich immer, aber Kondome können auch mal reißen und so gab mir die Pille bei allem Unfug doch das sichere Gefühl, nicht schwanger zu werden. Ansonsten habe ich damals von den wundersamen Wirkungen der Pille, über die ich in der Bravo oder sonstwo gelesen hatte, nichts gemerkt. Pickel hatte ich immer noch und meine Brüste waren auch nicht größer geworden.

Einige Jahre nahm ich die Pille, ohne das Konzept zu hinterfragen. Jede junge Frau nahm die Pille, also war es normal. Auch für meine Partner wäre es undenkbar gewesen, dass die Freundin keine Pille nimmt, denn Kinder standen auch in den längeren Beziehungen nicht zur Debatte. Nebenwirkungen hatte ich keine, wieso also die Pille absetzen?

Ab Mitte zwanzig fing ich mehr und mehr an, nach natürlicheren Lebenswegen zu suchen. Ich experimentierte mit veganer Ernährung, schon lange bevor es zur Mode wurde und kurierte meine Wehwehchen lieber mit pflanzlichen Mitteln und Homöopathie, als Medikamente zu nehmen. Da fing ich irgendwann auch an, die Pilleneinnahme zu hinterfragen, doch eine brauchbare Alternative fehlte irgendwie. Die anderen Hormonpräparate wie Stäbchen und Spritzen kamen nicht infrage, Barrieremethoden waren mir suspekt und die sogenannte Natürliche Familienplanung musste mit einem Pearl-Index von etwa neun wohl zwingend in die Hose gehen. Die Pille hatte bei aller Unnatürlichkeit wenigstens den Vorteil, dass sie zuverlässig schützte und ich relativ genau wusste, wann ich meine Periode kriegen würde.

Vor mittlerweile vier Jahren hatte ich einen Nervenzusammenbruch, nachdem eine schwierige Beziehung ein schmerzhaftes Ende nahm. Beruflich war ich ebenfalls in eine Richtung geraten, in die ich niemals wollte und so ging es mir monatelang schlecht und ich begab mich in psychologische Behandlung. Die Diagnose lautete Depression.

Ich weiß nicht, wie viele Ärzte und Therapeuten mich in dieser Zeit untersucht haben, doch nicht einer riet mir dazu, die Pille abzusetzen, obwohl depressive Verstimmungen eine bekannte Begleiterscheinung der Hormoneinnahme sind. Naja, ich selbst kam auch nicht auf die Idee, sie abzusetzen. Es dauerte fast anderthalb Jahre, bis ich wieder auf den Beinen war, wozu nicht zuletzt mein neuer Partner beigetragen hat. Unsere Beziehung war – und ist – wunderbar, doch meine abrupten Stimmungsschwankungen und depressiven Rückfälle machten mir und auch ihm das Leben zeitweise schwer.

Letztes Jahr am Aschermittwoch begann für mich die mittlerweile übliche Fastenwoche. Tagelang nichts zu essen ist hart. Was mir dabei hilft, sind gute Literatur und Internetforen, in denen man Gleichgesinnte trifft. In einem der Foren eröffnete jemand einen Thread zum Thema Pilleneinnahme während des Fastens, denn beim Fasten soll man nach Möglichkeit auch auf Medikamente verzichten. Mir wäre bis dahin nie in den Sinn gekommen, in der Fastenzeit keine Pille zu nehmen, aber ich las aus erster Hand von fruchtbaren Tagen, Persona-Computern und der symptothermalen Methode und das machte mich neugierig.

Während meines Nahrungsverzichts vertiefte ich mich in das Thema NFP und was mir einige Jahre zuvor noch als völliger Humbug erschien, sah nun nach einer vernünftigen Lösung aus. Mein Entschluss stand fest: Nie wieder Pille!

Als ich meinem Freund davon erzählte, fiel er aus allen Wolken. Für ihn war es völlig undenkbar, nicht ordentlich zu verhüten, sondern da nur irgendwie die Temperatur zu messen und irgendwelchen Schleim zu beobachten, von dessen Existenz er eigentlich gar nichts wissen wollte. Ich ließ das Thema etwas ruhen und ging ihm einige Wochen später wieder damit auf den Keks. Wie gesagt, mein Entschluss stand fest.

Einige Gespräche später beschlossen wir, NFP auszuprobieren. Ich setzte die Pille ab, meldete mich bei myNFP an, besorgte mir ein Thermometer mit zwei Nachkommastellen und arbeitete mich tiefer in die Thematik ein. Die ersten Wochen waren unheimlich spannend. Ich war fasziniert von den Funktionen meines eigenen Körpers, mit dem ich doch nun schon knapp dreißig Jahre zusammenlebte. In dieser Zeit habe ich mehr über meinen Zyklus und die menschliche Fortpflanzung erfahren, als mir Biologieunterricht und Bravo je beigebracht hatten. Je mehr ich lernte und beobachtete, desto klarer wurde mir, dass die Pille für mich einfach überflüssig ist, weil mein Körper auch ohne Hormonzufuhr einwandfrei funktioniert.

Vor einigen Tagen hat mein siebzehnter Zyklus begonnen, ich zähle mich selbst langsam zu den Profis. Ich messe nur noch in der Zyklusmitte und beobachte den Schleim genauso routiniert wie das Wetter. Die Vorteile der Pille sehe ich im Nachhinein mit anderen Augen; den Beginn meiner Periode kann ich jetzt noch genauer vorhersagen als damals unter der Pille. Ich blute nicht irgendwann aus heiterem Himmel, sondern zu dem Zeitpunkt, an dem mein Zyklus endet. Und den kenne ich.

Mit der Pille hatte ich unzählige Zyklen, in denen ich zitternd meine Periode herbeigesehnt hatte, weil ich irgendwann im Laufe des Zyklus die Pille vergessen oder falsch eingenommen hatte. Dann kamen noch ominöse Bauchschmerzen und Ähnliches hinzu und schon kaufte ich heimlich Schwangerschaftstests auf Vorrat. Mit NFP passiert das nicht. Ich vertraue nicht einfach auf die Wirkung irgendwelcher Wundermittel, sondern habe die Verhütung tatsächlich selbst in der Hand. Ich weiß am Zyklusende, dass ich nicht schwanger sein kann, einfach weil ich die Abläufe in meinem Körper kenne und verstehe. Selbst wenn wir ein Kind bekommen wollen würden, bräuchte ich weder Ovulations- noch Schwangerschaftstests, um die Zeichen meines Körpers zu übersetzen – ich kann sie ohne teure Hilfsmittel lesen. Das allein ist schon Grund genug, die Pille endlich wegzuwerfen.

Rückblickend hat die Pille wohl doch Nebenwirkungen gehabt. Ich fühle mich ohne die Hormoneinnahme deutlich ausgeglichener. Ich neige immer noch zur Grübelei und werde sicher nie eine unbeschwerte Frohnatur werden; so bin ich einfach nicht. Doch die totale Antriebslosigkeit, die scheinbar grundlose Verzweiflung und der Selbsthass, die meine depressiven Episoden kennzeichneten, habe ich hinter mir gelassen, ich bin psychisch stabiler. Auch wenn dafür sicher nicht nur das Absetzen der Pille verantwortlich ist, empfehle ich jeder Frau, die Pille zu hinterfragen und sich mit dem Wunder des eigenen Körpers auseinanderzusetzen. Ich bin froh, dass ich es getan habe und bleibe bei meinem Entschluss: Nie wieder Pille!