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Das war schon fast zu einfach

In meinem Freundeskreis war und ist es immer noch vollkommen üblich, dass die Mädels die Pille nehmen. Die meisten haben damit angefangen, als sie vierzehn oder fünfzehn Jahre alt waren. Also mitten in der Pubertät, in der sich der weibliche Zyklus erst einmal einspielen muss. Viele klagten damals über heftige Regelschmerzen und unreine Haut und ließen sich deswegen die Pille verschreiben.

Ich war etwas später dran als die meisten meiner Freundinnen und Schulkameradinnen. Ich war schon achtzehn, als ich mir zum ersten Mal von meiner damaligen Frauenärztin die Pille verschreiben ließ. Vorher hielt ich es einfach nicht für nötig: Weder hatte ich Probleme mit einer unregelmäßigen oder schmerzhaften Periode, noch hatte ich sonderlich schlechte Haut. Die Antibabypille holte ich mir deshalb – wie der Name schon sagt – zu Verhütungszwecken. Kondome waren mir damals irgendwie zu unsicher und schließlich nahm ja jede aus meinem Umfeld diese magische Tablette.

Von Beschwerden oder Nebenwirkungen hatte ich bis dahin nicht viel gehört. Ein paar nahmen unter Einnahme der Pille zu, ein paar hatten so richtige Heißhungerattacken. Aber über mehr sprach man eigentlich nicht. Das Ding sorgte für sorglosen Sex, schöne Haut, einen regelmäßigen Zyklus und für den Weltfrieden. Okay, zugegebenermaßen war das mit dem Weltfrieden etwas übertrieben, aber augenscheinlich hatte die Pille nur Vorteile. Meine Eltern, mein damaliger Freund und natürlich auch ich waren happy, dass ich in Ruhe meine Ausbildung absolvieren konnte – ohne die Gefahr, ungeplant schwanger zu werden.

An meinen ersten Besuch bei der Frauenärztin kann ich mich noch gut erinnern. Meine Freundinnen hatten mir schon länger damit in den Ohren gelegen, dass ich doch eigentlich die Pille nehmen könnte. Viel sicherer als Kondome sei sie und meine Regel hätte ich dann auch weniger stark. Gesagt, getan. Mit meinem Freund hatte ich im Vorfeld alles besprochen und nun sollte es also losgehen. Ich war schon total nervös vor meiner allerersten Untersuchung bei der Frauenärztin, aber die blieb überraschenderweise völlig aus, sie stellte mir nur zwei Fragen: »Sie haben also einen festen Freund?« und »Rauchen Sie?« Die erste Frage bejahte ich, die zweite konnte ich getrost verneinen. Und schon hatte sie mir ein Rezept für sechs Monate Valette ausgedruckt. Sie riet mir zum Langzyklus, bei dem die Einnahme mehrerer Blister hintereinander zu einem längeren Ausbleiben der Blutung führt.

Ich nahm wegen meiner chronischen Schilddrüsenunterfunktion täglich eine Thyroxin-Tablette. »Gibt es da nicht irgendwelche Wechselwirkungen?«, fragte ich besorgt. »Nein, nein«, sagt sie und winkte ab, »Sie nehmen einfach morgens die Schilddrüsentablette und abends dann die Pille. Also kein Problem. Probieren Sie es erstmal aus und wir schauen dann, wie Sie langfristig damit zurechtkommen.« Das war schon fast zu einfach. Also fuhr ich auf dem Heimweg direkt an einer Apotheke vorbei und besorgte mir die verschriebene Pille, die mich damals nur fünf Euro kostete, da ich ja noch unter zwanzig war.

Gemeinsam mit meinem Freund öffnete ich zu Hause ganz gespannt die hübsch verzierte grün-weiße Verpackung. Er fischte den Beipackzettel heraus und begann zu lesen. »Das ist ja krass«, murmelte er dabei immer wieder. Er fragte mich, ob die Frauenärztin mir nichts über die krassen Nebenwirkungen erzählt hatte, die auftreten konnten. Also las ich zusammen mit ihm den kompletten Zettel durch. Unter den seltenen Nebenwirkungen fanden sich: Thrombosen, Schlaganfälle, Embolien, Infarkte. Schon etwas häufiger: Stimmungsschwankungen, Libidoverlust und Gewichtszunahme durch Wassereinlagerungen. Nehmen wollte ich sie trotzdem. Schließlich nahm sie beinahe jede junge Frau und das war ich ja schließlich auch: eine junge Frau, die gerne sorglosen Sex mit ihrem Freund haben wollte, ohne dabei schwanger zu werden. Er sagte zu mir: »Und was ist, wenn ich irgendwann neben dir aufwache und du zitterst, aus deiner Nase läuft Blut und du bist nicht mehr ansprechbar? Wie bei dieser Lungenembolie, die man davon kriegen kann?« Ich sagte, dass er nicht übertreiben soll. Ich fand seine Bedenken süß, aber unnötig. Die Pille war nun mal das sicherste und beliebteste Verhütungsmittel. Gruselig war diese Auflistung aller Nebenwirkungen schon, aber das ist ja bei allen Medikamenten so. Zumindest redete ich mir das damals so ein.

Eine Lungenembolie bekam ich zum Glück nicht und schwanger wurde ich auch nicht. Dafür machten sich schon bald die häufigeren Nebenwirkungen bemerkbar: Ich war leicht reizbar, fühlte mich schnell angegriffen und weinte viel. Lust auf Sex hatte ich bald keine mehr. Wenn doch, dann hatte ich meist so ein raues, trockenes Gefühl. Ich fühlte mich richtig wund danach und konnte den Sex nicht mehr genießen. Wozu eine Pille zur Schwangerschaftsverhütung, wenn man gar keinen Sex mehr haben möchte? Durch die Wassereinlagerungen schwollen meine Knöchel und Hände an, vor allem bei leichten Anstrengungen oder Hitze im Sommer. Einigen fiel mit der Zeit mein aufgedunsenes Gesicht auf, dazu kamen Wassereinlagerungen in den Oberarmen und Oberschenkeln – Beschwerden, die ich vorher nie hatte. Damals habe ich den Auslöser für das alles nicht erkannt.

Annähernd sieben Jahre lang nahm ich brav die Pille. Mein Freund war mittlerweile schon auf und davon. Es hatte einfach nicht funktioniert und vielleicht waren meine Stimmungsschwankungen und die Unlust auch Gründe dafür. Wer weiß? Aber die Pille abzusetzen kam auch als Single für mich nicht infrage. Ich wollte auf keinen Fall schwanger werden und der Langzyklus war angenehm einfach. Keine nervigen Blutungen. Alles war so schön planbar. Ich konnte in Ruhe meine Ausbildung beenden, studieren, feiern gehen. Was junge Leute eben so tun.

Stutzig wurde ich erst, als meine Mutter mich irgendwann fragte: »Bitte sei mir nicht böse, aber geht’s dir in letzter Zeit nicht gut? Du bist so blass und immer so müde. So schlapp kenn ich dich gar nicht. Und dein Gesicht sieht irgendwie angeschwollen aus. Du hast allgemein ziemlich zugelegt. Isst du in letzter Zeit vielleicht zu viel?« Das machte mich ziemlich sauer. Wer wollte schon gern hören, dass er zugenommen hatte? Dabei lag das keineswegs am Essen. Ich würde meine Ernährung als ziemlich normal betiteln. Keine großen Portionen, auch keine Heißhungerattacken wie sie manche Freundinnen von mir hatten. Zum Sport ging ich zwei bis drei Mal die Woche. Das ganze machte mich so ärgerlich, dass ich meine Frauenärztin um Rat fragte.

Zwischendurch war ich von der Valette zur Maxim gewechselt. Ein vermeintlich identisches Präparat, das allerdings nur die Hälfte kostete; mittlerweile musste ich die Pille selbst zahlen. Ich sprach also meine Frauenärztin auf die Nebenwirkungen an. Sie sagte: »Das kann nicht an der Pille liegen. Aber wenn Sie darauf bestehen, kann ich Ihnen auch eine andere verschreiben. Bestimmt ist die Hormondosis zu niedrig.« Zu niedrig? Eigentlich hatte ich zu diesem Zeitpunkt bereits mit dem Gedanken gespielt, die Pille ganz abzusetzen, um zu testen, wie ich damit zurechtkomme. Ich war schon seit Längerem wieder in einer festen Beziehung mit meinem jetzigen Partner und sowohl ich als auch er kämpften mit meinen Launen, meiner Unlust und meiner Abgeschlagenheit. Außerdem war mir ständig kalt und mein Blutdruck war ziemlich weit unten. Ich fragte die Frauenärztin direkt, ob ich die Pille nicht einfach absetzen könnte. Sie riet mir dringend davon ab und verschrieb mir stattdessen die Swingo 30 in peppiger pinker Verpackung. Also besorgte ich mir das neue Präparat und wurde in den folgenden anderthalb Jahren fast wahnsinnig damit. Ich fühlte mich total ausgelaugt. Die Zahl auf der Waage wurde immer größer. Ich aß kaum noch und hatte trotzdem zwölf Kilo mehr auf den Rippen als noch vor drei Jahren.

Schluss damit! Diesmal ging ich zu meiner neuen Hausärztin. Ich hatte kaum ihr Zimmer betreten, da fragte sie mich schon: »Darf ich mal Ihren Hals abtasten? Das sieht gar nicht gut aus.« Ich wusste nicht, worauf sie hinauswollte. Ich hatte schließlich keine Halsschmerzen, sondern eine LKW-Ladung voll anderer Probleme. Nach dem Abtasten sagte sie: »Ich schreibe Ihnen direkt eine Überweisung zum Nuklearmediziner. Ihre Schilddrüse ist stark angeschwollen. Das nennt sich StrumaSchilddrüse? Auch das noch! Ich erzählte ihr trotzdem von den ganzen Beschwerden, die sich im Laufe der Jahre manifestiert hatten. Sie nahm eine Blutprobe und erklärte mir, dass die Pille meiner ohnehin schon geschädigten Schilddrüse im Laufe der Zeit wahrscheinlich immer mehr Hormone geklaut hatte. Durch die Erhöhung der Pillendosis wurde das Ganze noch schlimmer. Deshalb diese Müdigkeit, der Libidoverlust, meine aufgedunsenen Gelenke und mein rundes Gesicht. Meine Schilddrüse hatte sich vergrößert, um die verlorenen Hormone auszugleichen. Sie versuchte, besser zu arbeiten, schaffte es wegen der Hormone aus der Pille aber nicht. Immerhin habe ich mir jahrelang, Tag für Tag, morgens und abends verschiedene Hormone eingeworfen wie Smarties.

Ich bin kein Arzt und kann diesen Zusammenhang nur laienhaft schildern. Ich war nie ein Freund von Dr. Google, aber diese Erkenntnis schockierte mich so sehr, dass ich mich nun doch über meine Schilddrüsenproblematik informierte. Und so fand ich auf virtuellem Wege so einige Leidensgenossinnen, die dieses Problem mit mir teilten: die Schilddrüsenunterfunktion in Kombination mit der Pilleneinnahme. Stinksauer fischte ich die Packungsbeilage meiner Pille, die ich bereits in den Papierkorb geworfen hatte, wieder heraus und fand dort nicht den kleinsten Hinweis auf Dinge, die es im Falle einer chronischen Schilddrüsenerkrankung zu beachten gilt. Im Beipackzettel meiner Schilddrüsentabletten fand ich jedoch schließlich den kurzen unauffälligen Satz: Während der Einnahme von Hormonpräparaten zur Schwangerschaftsverhütung (»Pille«) oder einer Hormonersatztherapie nach den Wechseljahren kann der Levothyroxin-Bedarf steigen. Das war alles. »Kann« steigen. Muss nicht, aber es ist sehr gut möglich. Die Schilddrüse ist ein sehr wichtiges Organ für den menschlichen Körper, das unter anderem den Stoffwechsel und die Fruchtbarkeit regelt.

Meine Schilddrüsenmedikamente hätten also mit Verschreiben der Pille neu eingestellt werden müssen. Ich hätte eine höhere Dosis an Thyroxin einnehmen müssen, aber mir wurde davon nichts gesagt. Stattdessen habe ich meine Schilddrüse unwissentlich immer weiter geschädigt. Nach meinem Termin beim Nuklearmediziner stand für mich fest, dass ich die Pille absetze. Komme, was da wolle. Und der Arzt, der sich meine lädierte Schilddrüse per Ultraschall angesehen hatte, stand vollkommen hinter meiner Entscheidung.

Skeptisch wie ich war, wollte ich diesen Schritt noch mit meiner Frauenärztin abklären. Dieser Termin, der gleichzeitig mein letzter in ihrer Praxis sein sollte, war der unangenehmste und lächerlichste, den ich je erlebt habe. Ich zeigte ihr sogar den Satz im Beipackzettel. Sie meinte daraufhin lapidar: »Es ist ausgeschlossen, dass es da einen Zusammenhang geben soll. Und außerdem: Wenn man sicher verhüten will, muss man eben Hormone und auch ein paar kleine Nebenwirkungen in Kauf nehmen.« Ich war einfach nur schockiert. Kleine Nebenwirkungen? Sie nahm mich und die Diagnose meines Nuklearmediziners in keiner Weise ernst. Sie verschrieb mir sogar erneut die Pille. Das Rezept dafür warf ich weg und setzte die Pille eigenmächtig ab, nachdem ich den aktuellen Blister aufgebraucht hatte.

Während meiner Recherche im Internet bin ich auf die symptothermale Methode gestoßen. Mein Freund und ich entschieden uns gemeinsam für diese hormonfreie Art der Verhütung – meiner Gesundheit und unserer Beziehung zuliebe. Das war die beste Entscheidung, die wir treffen konnten.

Meine Abbruchblutung kam wie gewohnt ein paar Tage später. Fleißig trug ich jeden Morgen meine Basaltemperatur in die praktische NFP-App ein und beobachte meinen Zervixschleim. Ich entwickelte endlich wieder ein Gefühl für meinen Körper! Die Lust am Leben und an der Liebe kehrte zurück. Ich wurde aktiver und spürte Woche für Woche, wie mein Körper das eingelagerte Wasser verlor und somit auch die Kilos purzelten, obwohl ich an meiner Ernährung und den sportlichen Aktivitäten nichts änderte. Plötzlich fühlte ich mich wieder wie eine Frau und war glücklich, nicht mehr an die Pille denken zu müssen. Ich hatte keine Schmerzen mehr beim Sex. Meine Schilddrüse hatte sich nach einem halben Jahr wieder soweit reguliert und verkleinert, dass ich zu meiner alten Thyroxindosis zurückkehren konnte. Diese Tabletten werde ich wohl ein Leben lang nehmen müssen, aber das war mir bereits vor Einnahme der Pille bewusst. Allerdings hätte ich meiner Schilddrüse und meinem Hormonhaushalt im Allgemeinen diese Tortur ersparen können.

Noch heute ärgere ich mich darüber, dass meine ehemalige Frauenärztin mich nicht über die Nebenwirkungen der Pille aufgeklärt hat, obwohl ich sie mehrmals über meine Schilddrüsenprobleme in Kenntnis gesetzt habe. Im Nachhinein würde ich ihr Verhalten als fahrlässig beschreiben, da ich zwar die Verantwortung für mich selbst trage, sie jedoch trotzdem eine Aufklärungspflicht mir gegenüber hat.

Ich habe das Thema in meinem Freundeskreis mittlerweile offen angesprochen, denn auch meine Freundinnen bemerkten meine positiven Veränderungen. Zwei von ihnen haben kurz nach mir ebenfalls die Pille abgesetzt und verhüten nun auf natürlichem Wege und ohne Einwirkung künstlicher Hormone. Auch sie sind begeistert von den Erfahrungen, die sie mit NFP sammeln konnten.

Doch nicht alles ist positiv: Obwohl ich früher nie schwere Hautprobleme hatte, habe ich aufgrund der hormonellen Umstellung nach Absetzen der Pille momentan noch immer mit Hautunreinheiten im Gesicht und im Dekolletee zu kämpfen. Mein natürlicher Zyklus braucht seine Zeit, bis er sich wieder eingespielt hat, aber ich merke, dass es bergauf geht. Auf meine erste richtige Periode wartete ich 54 Tage. Auf meine zweite sogar 91 Tage. Und auf die dritte warte ich noch immer, obwohl ich die Pille bereits vor sieben Monaten abgesetzt habe.

Mit NFP kann ich den Zeitraum des Eisprungs – bisher hatte ich zwei – und die Länge meiner Zyklen genau erfassen. Das sind Zahlen, die mich momentan noch deprimieren, weil ich weiß, dass der Weg zu einem halbwegs regelmäßigen Zyklus noch lang sein könnte. Meine Haut wird ganz langsam besser. Mittlerweile bin ich auf Naturkosmetik umgestiegen und rücke den Pickeln mit natürlichen Mitteln zu Leibe. Meine Periode habe ich ähnlich stark wie vor meiner Pillenzeit. Statt austrocknenden Tampons verwende ich mittlerweile eine Menstruationstasse, das ist für mich angenehmer und ich ekle mich auch nicht mehr davor; meine Periode gehört zu mir wie meine Pickel es momentan tun. Aber was soll's? Die Vorteile der hormonfreien Verhütung überwiegen für mich eindeutig. Ich muss meinem Körper – nach allem, was ich ihm zugemutet habe – einfach die Zeit geben, sich wieder neu zu ordnen. Gut beraten hat mich dabei auch meine neue Frauenärztin, die alternativen Verhütungsmethoden sehr offen gegenübersteht und sich viel Zeit für meine Sorgen nimmt. Im Nachhinein hätte ich meiner Schilddrüse zuliebe lieber ganz auf hormonelle Verhütung verzichtet. Die eingebüßte Lebensqualität war es wirklich nicht wert.

Zum Schluss kann ich nur noch betonen: Mädels, steht zu eurem Körper. Lernt ihn kennen und lieben und informiert euch gut, bevor ihr euch die Pille besorgt. Letztlich muss jeder mit sich selbst vereinbaren können, was er tut. Wenn ihr gut mit der Pille zurechtkommt, dann ist das okay. Aber bitte, hört auf die Signale eures Körpers. Und, Männer: Zeigt Interesse und informiert euch gemeinsam mit eurer Partnerin über die Vor- und Nachteile verschiedener Verhütungsmethoden. Und entscheidet am Ende auch gemeinsam. Ich jedenfalls habe mich entschieden: für ein natürliches Leben, ungebremst von hormoneller Verhütung, und vor allem für die Liebe und die Lust, die ich nun endlich wieder spüren darf.