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Der nächste Zusammenbruch

Alles fing an, als ich fünfzehn war und mein damaliger Freund nach dem Sex ein zerfetztes Kondom in der Hand hielt. Schöne Scheiße! Ich wollte einfach nicht wahrhaben, wie das passieren konnte. Es hieß doch immer Ja Mama! Wir passen auf, versprochen! Umso unangenehmer war es dann, ihr sagen zu müssen, dass ich am nächsten Tag zur Frauenärztin gehen müsse, um die Pille danach zu bekommen. Die Ärztin nahm das jedoch recht locker. Nachdem sie erfuhr, dass es mit meinem festen Freund passiert war, meinte sie mit einem Augenzwinkern: »Na, dann verschreibe ich dir die Pille gleich mit.« Da hielt ich sie also in der Hand. Das Wundermittel gegen alles, was dich gerade so nervt.

Und es war tatsächlich wunderbar. Plötzlich konnte ich auf den Tag genau sagen, wann meine Periode einsetzen würde. Das ersparte mir diese – ich denke, ihr kennt sie alle – peinlichen Momente in der Schule, in denen man die beste Freundin panisch fragt: »Hab ich da einen Fleck am Po?« Ich hatte da tatsächlich einmal einen und sie musste den Rest des Schultages ganz dicht hinter mir her laufen. Das war vielleicht schrecklich! Auch die Krämpfe während der Periode wurden sehr viel leichter zu ertragen und die geringe Blutungsstärke war unter all den Pluspunkten der Pille meine Nummer Eins. Alle paar Stunden einen Mini-Tampon wechseln war nicht nur entspannter, sondern wegen der geringen Größe auch angenehmer. Außerdem wurde – der Klassiker – meine Haut sehr schön. Und ganz nebenbei war das lästige Verhütungsthema auch vom Tisch. Die Pille war für mich der Held und Kondome waren das Böse schlechthin, schließlich hatte mich ja eines im Stich gelassen.

Wie das Leben manchmal so spielt, änderte sich für mich mit sechzehn einfach alles. In einer spontanen Hau-Ruck-Aktion zog ich mit meiner Mutter allein aus dem Ruhrgebiet nach Berlin. Die ersten Monate hier waren sehr stressig für mich, schließlich musste sich mein ganzes Leben neu einspielen. Mit meinem damaligen Freund war ich nicht mehr zusammen, doch ich versuchte, die Pille weiterhin zu nehmen; immerhin war mit Pille ja alles super bequem.

Durch die stressige Zeit und die nicht vorhandene Notwendigkeit der Verhütung nahm ich sie jedoch nur noch unregelmäßig. Wie in der Packungsbeilage stand, schluckte ich brav bis zu drei mal pro Woche einfach zwei Pillen hintereinander, wenn ich sie am Vortag vergessen hatte. Das war keine gute Idee. Nachdem ich zwei Pillen auf einmal genommen hatte, verbrachte ich mindestens eine Stunde im Badezimmer und erbrach restlos alles, was ich bis dahin zu mir genommen hatte. Da mein gesunder Menschenverstand zu diesem Zeitpunkt noch zu funktionieren schien, setzte ich sie kurzerhand ab.

Ein halbes Jahr später saß ich wieder bei der Frauenärztin, um erneut ein Rezept für die Pille zu bekommen; denn zwischenzeitlich hatte sich mein wundervoller jetziger Freund in mein Leben geschlichen und wieder einmal stand ich vor dieser äußerst lästigen Verhütungsfrage. Ich muss gestehen, ich hatte damals nicht so viel Ahnung davon. Es gab für mich nur die bööösen Kondome; die Spirale, die wohl nur für ältere Frauen geeignet war – und die Pille, von der ich schon nicht kotzen müsste, wenn ich sie nur regelmäßig nahm. Ich landete also wieder bei der Pille. Und die zweieinhalb schrecklichsten Jahre meines Lebens begannen. Wohlgemerkt: die gleichen zweieinhalb Jahre, die ich jetzt mit meinem Freund zusammen bin. Und unsere Beziehung ist wunderschön. Was für eine Ironie!

Mein Charakter änderte sich schlagartig. Vorher war ich grundsätzlich gut gelaunt und einfach kurz traurig, wenn etwas Schlimmes passierte; nun war ich grundsätzlich traurig und abgeschlagen. Wenn etwas Schönes passierte, dann freute ich mich nur für einen kurzen Moment.

Die Woche vor meiner Pillenpause wurde Monat für Monat zu einer echten Zerreißprobe für unsere Beziehung. Ich hatte regelmäßig einen kompletten psychischen Absturz und mein Freund war völlig überfordert damit. Es schien für mich keine Hilfe zu geben. Bei jeder Gelegenheit ging ich in die Luft. Es gab Tage, da lag ich heulend im Bett und war nicht in der Lage, aufzustehen. In der Schule fehlte ich deshalb häufiger. In meinem Freiwilligen Sozialen Jahr nach der Schulzeit hatte ich mir vorgenommen, die Zähne zusammenzubeißen und es endete damit, dass ich beim Spätdienst in der Küche vor allen Kindern schluchzend zusammenbrach.

Es gab nichts mehr, was mir wirkliche Freude bereitete. Ich ging regelmäßig zu meinem Pferd, mit Freunden aus, schaute Filme, las Bücher, besuchte meine Familie im Ruhrgebiet, aber in mir verspürte ich Leere. Es ging mir besser, wenn mein Freund bei mir war. Also richteten wir alles so ein, dass wir uns so oft wie möglich sahen – nur um meinen nächsten Zusammenbruch zu verhindern. Auch diese Planung wurde zu einer Belastung für uns beide.

Und was war mit meiner Libido? Welche Libido? Ich spürte nur noch Lustlosigkeit. Ab und zu ging es etwas besser und Sex fühlte sich ganz schön an. Dann kamen wieder Phasen, in denen nichts zu machen war. Alles unterhalb meines Bauchnabels war trocken und tat weh, schon bei der kleinsten Berührung.

Meine Mutter verzweifelte an meinem psychischen Zustand. Sie bat mich, mit meiner Frauenärztin darüber zu sprechen oder einen Psychologen aufzusuchen. Das tat ich nicht; denn immer dann, wenn die schlimmste Phase vorbei war, kam mir alles was passiert war total albern vor. Ich fand, dass ich mich einfach nur angestellt hatte. Das dachte ich so lange, bis diese Depressionen im nächsten Monat wieder mit aller Härte zuschlugen.

Ich wechselte die Pille dreimal, doch mehr als eine Gewichtszunahme von fast zehn Kilo brachte mir dieses Experiment nicht ein. Vor etwa einem Monat zog ich endlich die Reißleine. In dieser Zeit informierte ich mich viel über die Kritik an der Pille und las von einigen erschreckenden Erfahrungen, die andere Frauen machen mussten. Besonders alarmierte mich ein Artikel über gefährliche Pillen der dritten und vierten Generation, die das Herzinfarkt- und Thromboserisiko deutlich erhöhen.

Ganz oben auf der Liste der gefährlichen Pillen stand die Yasminelle – und genau diese Pille hatte ich eine Zeit lang genommen! Schlagartig wurde mir bewusst, welches Risiko ich damit eingegangen bin, denn in meiner Familie gab es schon mehr als einen Herzinfarkt. Die letzte Person, die beinahe einen hatte und nun mit einer neuen Herzklappe und zwei Bypässen leben muss, ist ausgerechnet mein Vater! Ich war so sauer! Meine Frauenärztin wusste davon und hatte mir trotzdem diese Pille verschrieben.

Noch am selben Tag bestellte ich mir ein geeignetes Thermometer und das Buch Natürlich und sicher. Auf die symptothermale Methode war ich schnell gestoßen, als ich hormonfreie Verhütung im Internet recherchierte. Nachdem ich das Buch gelesen hatte, war ich restlos überzeugt. Mein Freund ist noch unsicher, aber er ist bereit, sich darauf einzulassen und liest sich gerade selbst ein. Schließlich ist es auch in seinem Interesse, dass diese schrecklichen Phasen aufhören und es mir endlich besser geht.

Ein kleines Hindernis gab es für mich: Ich musste wieder auf die ungeliebten Kondome zurückgreifen und lernen, ihnen zu vertrauen. Und es klappt, denn mein Freund weiß genau, welche Marke ihm passt. Es fühlt sich gut an. Es rutscht nichts und es reißt nichts. Sex ist so viel schöner, wenn man sich psychisch besser und freier fühlt und die Libido echt und intensiv ist! Mein erster NFP-Zyklus ist in vollem Gange. Ich bin sehr gespannt auf die Erfahrungen der nächsten Monate und freue mich auf den Moment, wenn ich mich das erste Mal nach erfolgreicher Auswertung traue, freizugeben.

Ich möchte die Pille nicht grundsätzlich verteufeln. Ich habe Freundinnen, die nie ein Problem damit hatten, über die Risiken Bescheid wissen und entschieden haben, diese zu tragen. Allen Frauen, die mit der Pille nicht glücklich sind, die ähnliche Probleme wie ich haben oder andere schwerwiegende Nebenwirkungen ertragen müssen, rate ich: Nehmt es nicht einfach hin! Ich selbst habe es viel zu lange akzeptiert und darunter gelitten. Und ich ärgere mich jetzt darüber, dass ich nicht früher eine Entscheidung getroffen habe. Was, wenn meine Beziehung zu diesem wundervollen, tollen Mann irgendwann daran zerbrochen wäre? Ich hätte mir das nicht verzeihen können.