#MyPillStory Logo

Ein Buch mit sieben Siegeln

Verhütung mit der Pille ist für mich rückblickend vor allem eine Geschichte vom Funktionieren – und wie man den Gedanken daran loslässt.

Als junge Mädchen dürfen wir auf keinen Fall schwanger werden. Kind, willst du dir dein Leben versauen? Wir sollen fleißig lernen, eine gute Ausbildung machen, den perfekten Partner finden, ein Nest bauen. Dabei natürlich total emanzipiert sein und keine Angst vor Sex haben. Und dann, eines Tages, schwupp, ändert sich die Erwartung: Mädchen, willst du denn gar keine Kinder? Du wirst auch nicht jünger! Und dein Körper soll da mitmachen; sich über Nacht von einer sterilen Box in ein kuscheliges Heim für kleine Embryonen verwandeln. Und falls du irgendeine dieser Erwartungen nicht erfüllst, falls dein Körper da nicht mitmacht, dann stimmt was nicht mit dir.

Mein Körper machte da nicht mit. Mit sechzehn ging ich zum Frauenarzt und fragte nach der Pille, die ich auch prompt bekam; Femigoa. Alternative Methoden wurden mir nicht vorgestellt, da hätte ich wahrscheinlich auch nichts von wissen wollen. Zu dem Zeitpunkt, als ich meine erste Östrogenpille schluckte, hatte mein Körper gerade mal drei volle Perioden durchlaufen.

Die ersten Jahre war ich mit der Pille sehr zufrieden. Manchmal vergaß ich die Einnahme und war danach mal mehr, mal weniger vorsichtig; passiert ist nie etwas. Andere werden von sowas schwanger? Ich offensichtlich nicht. Vielleicht bin ich einfach nicht so fruchtbar wie die. Egal, ich will ja auch gerade alles, nur bitte nicht schwanger werden. Mit Mitte zwanzig kam der Schock: Meine Blutung blieb aus. Schwangerschaft? Konnte ich ausschließen. Überhaupt war es eher eine graduelle Entwicklung, die Blutungen waren letztlich immer schwächer geworden. Warum streikte mein Körper? Sollte ich die Pille absetzen, um das herauszufinden? Die Frauenärztin war nicht sehr hilfreich: »Keine Blutung? Sicher nicht schwanger? Vielleicht ein natürlicher Abort? Diese Flüssigkeit da im Ultraschall? Mysteriös. Abwarten. Pille absetzen wäre sicher nicht verkehrt.«

Bald darauf zog ich um und ging deshalb zu einer anderen Frauenärztin: »Keine Blutung? Über sechs Monate? Hm. Kann schon mal sein. Sie haben die Nase voll von Kondomen? Sind depressiv, unsicher, ein bisschen neurotisch? Dann nehmen Sie doch wieder die Pille. Der Körper verändert sich eben. Nehmen Sie mal Belara statt Femigoa, dann haben Sie auch wieder Abbruchblutungen.«

Stimmt, hatte ich. Und ich bekam einige unangenehme Symptome: Brustspannen. Schwellungen. Schmerzen; und dazu das latente Gefühl, dass mit mir irgendetwas nicht stimmt. Bin ich unfruchtbar? Ich wollte zwar zu diesem Zeitpunkt keine Kinder, aber irgendwann schon. Die Frauenärztin verstand meine Sorgen nicht: »Wollen Sie jetzt schwanger werden oder nicht?« Sie konnte scheinbar nicht nachvollziehen, dass ich einfach verstehen wollte, warum mein Körper nicht tut, was andere Körper tun. Als sei der weibliche Körper ein Buch mit sieben Siegeln, dem nur mit einer Palette teurer Labortests beizukommen ist; als wäre das Problem Verhütung und Schwangerschaft einzig und allein mit der Pille sicher in den Griff zu kriegen.

Als ich jobbedingt erneut umziehen musste und dafür zeitweilig eine Fernbeziehung in Kauf nahm, erschien mir das ein guter Zeitpunkt, die Pille ein für alle Mal abzusetzen. Ich war mittlerweile dreißig Jahre alt, mein Partner wollte bald nachziehen, das Thema Kinder stand im Raum. Ich setzte die Pille also ab. In den folgenden neun Monaten schien mein Körper hormonell im Tiefschlaf zu liegen. Ich hatte inzwischen nicht wenige Berichte von Frauen gehört, deren Körper nach Absetzen der Pille bis zu zwölf Monate brauchte, um wieder natürliche Zyklen hervorzubringen. Ich beschloss, das Problem zu ignorieren, ruhig zu bleiben, meinem Körper die nötige Zeit zu geben. Als ich nach neun Monaten endlich meine erste Blutung hatte, war ich euphorisch und den Tränen nahe. Ich funktionierte! Nicht so wie andere vielleicht, aber das war plötzlich nicht mehr wichtig.

Die Beziehung ging bald darauf in die Brüche. Das Thema Kinder war vom Tisch, Verhütung wieder aktuell, denn an Kinder mit dem neuen Partner war noch nicht zu denken. Wieder die Pille zu nehmen kam für mich nicht infrage, wo mein Körper doch endlich die Kontrolle über sich selbst zurückerlangt hatte! Zudem fühlte ich mich gut. Die depressive Phase nach dem Absetzen der Pille war lange überwunden, Schmerzen in der Brust ein Gespenst der Vergangenheit, ich hatte plötzlich keine grauen Haare mehr, meine Haut fühlte sich jünger an, ich fühlte mich gut und funktionierend und weiblich. Doch was tun zur Verhütung?

Als mir eine Freundin von der symptothermalen Methode erzählte, war ich verblüfft. Das sollte sicher sein? »Ist das nicht Hokuspokus, angesiedelt irgendwo zwischen Meditation und Homöopathie? Du bist doch Wissenschaftlerin wie ich, du würdest das machen?« »Klar,« sagt sie, »kein Hokuspokus. Das ist alles wissenschaftlich fundiert, guck's dir halt mal an.« Das tat ich – und lernte Dinge, die meine Frauenärztin wohl nicht weiß. Die hormonellen Vorgänge kannte ich aus dem Studium, sicher, aber dass man die Zeichen als Frau selbst lesen kann, dass Variabilität normal ist, dass ich meinen Körper verstehen lernen kann: Davon hatte ich keine Ahnung.

Seit mehr als einen Jahr verhüte ich jetzt natürlich, einfach weil ich weiß, wann ich fruchtbar bin und wann nicht. Zu wissen, dass ich jeden Monat einen Eisprung habe, jeden Monat die Chance auf ein Kind, beruhigt mich ungemein. Wenn mein Partner und ich so weit sind, sage ich einfach an den roten statt den grünen Tagen: Heute ist ein guter Tag, Schatz. Und irgendwann funktioniert es dann schon. Seit ich meinem Körper die Kontrolle überlassen, fühle ich mich in ihm gut aufgehoben.