Nachgefragt: Menstruationsschmerzen
Menstruationsschmerzen sind häufig DAS Argument für hormonelle Verhütungsmittel, selbst wenn nach Verhütung gar kein Bedarf besteht. Wer unter Menstruationsschmerzen leidet und nicht mehr in die Schule oder zur Arbeit kann, scheint keine andere Wahl zu haben. Das ist ein starkes Argument gegen die symptothermale Methode. Welche Alternativen zur Pille gibt es gegen die Schmerzen?
Dr. Wallwiener: Eine pauschale Verschreibung der Pille bei Menstruationsschmerzen ist sicherlich über das Ziel hinausgeschossen. Trotzdem merke ich immer wieder, dass die Kombination aus Verhütungseffekt, Ausbleiben der Menstruationsschmerzen, schönerer Haut und Haaren vielen Frauen die Einnahme wert ist. Meiner Meinung nach sehr wichtig ist dabei die (übrigens gesetzlich vorgeschriebene) ausführliche Aufklärung über die möglichen Nebenwirkungen und auch die Schaffung eines Bewusstseins dafür, dass die Patientin hier jeden Tag ein Medikament einnimmt – kein harmloses Pillchen und kein cooles Lifestyleprodukt, wie es von Teenagern häufig gesehen wird.
Gerade um diesen Aspekt zu unterstreichen, lässt sich die Pharmaindustrie einiges einfallen: kleine Beigebsel zur ersten Pillenpackung wie beispielsweise Spiegel, Haarbürste, et cetera. Dann gibt es da noch den Sticker für den Badspiegel oder das Handy: »Pille nicht vergessen« – das sehen natürlich auch die anderen...
Wer unter starken Menstruationsschmerzen leidet, sollte sich beim Frauenarzt vorstellen, denn zunächst müssen die Ursachen abgeklärt werden, bevor man mit einer geeigneten Therapie beginnen kann. Eine körperliche Untersuchung und eine vaginale Ultraschallsonographie können schon einmal einige organische Ursachen ausschließen oder aber auch den Verdacht auf eine greifbare Ursache lenken.
Ich denke hier zunächst an die Endometriose. Diese Erkrankung betrifft immerhin geschätzte 10% aller Frauen. Die Zahlen variieren je nach Studie. Die definitive Diagnose ist relativ aufwändig, allerdings gibt es vielfältige Optionen zur Therapie einer Endometriose. Und da eben jeder Mensch ein wenig anders ist, werden diese auch unterschiedlich gut wirken. Eine Option ist die Pilleneinnahme im Langzyklus für circa 6 Monate ohne Unterbrechung. Die Periode wird unterdrückt, die endometriosebedingten Schmerzen bleiben aus.
Es gibt aber auch zahlreiche andere Gründe für Unterbauchbeschwerden, die durch einen Arztbesuch abgeklärt werden können. Liegt erfreulicherweise keine krankhafte Ursache vor, können von der Patientin selbst viele verschiedene Konzepte ausprobiert werden. Sport beispielsweise kann sehr gut helfen: Durch die Bewegung kann sich die verkrampfte Muskulatur lockern und die Bewegung lenkt auch den Geist von den Schmerzen ab. Eine Frau, die auch außerhalb der Beschwerden aktiv ist und gerne Sport treibt, wird hier vielleicht motivierter sein und größere Erfolgschancen haben als ein Sportmuffel. Aber man kann sich auch irren – manchmal kann die Besserung der Symptomatik ganz neue Motivationen aufdecken!
Die klassische Wärmetherapie hat schon Oma empfohlen – ein Wärmekissen, ein warmes Bad und Ruhe wirken oft sehr gut. Vielen Frauen helfen zusätzlich verschiede Entspannungstechniken, zum Beispiel die progressive Muskelentspannung nach Jacobson oder Yogaübungen; auch ein Tee (es gibt mehrere Pflanzen, denen hier heilende Wirkungen zugeschrieben werden – dafür bin ich aber nicht die Expertin) kann die psychische und physische Entspannung fördern.
Sinnvoll erscheint es, auch auf die Ernährung zu achten. So weiß man beispielsweise, dass tierische Fette mehr Prostaglandine ausschütten als pflanzliche Fette. Prostaglandine sind mit dafür verantwortlich, dass die Gebärmuttermuskulatur sich zusammenzieht; diese Substanzgruppe setzen wir auch in der Geburtshilfe zum Auslösen der Wehentätigkeit mit großem Erfolg ein. Sicher – die Dosis ist hier eine vollkommen andere, trotzdem kann es individuell und vor allem beim Ändern vieler kleiner Faktoren zu einer beachtlichen Linderung der Schmerzen kommen.
Dann gibt es natürlich noch die medikamentöse Therapie abseits der Pille. Auf dem deutschen Markt gibt es viele Medikamente, die speziell auf das Thema Menstruationsschmerz ausgerichtet sind. Auf der Packung findet sich dann beispielsweise der Hinweis Für Frauen. Hier ist mein Tipp: Wenn ich schon vorher weiß, an welchem Tag die Schmerzen extrem stark sein werden – schon am Morgen dieses Tages eine Tablette nehmen, um einen Wirkspiegel aufzubauen, der die Schmerzen abfedert. Wer erst anfängt Tabletten zu nehmen, wenn es vor Schmerz nicht mehr auszuhalten ist, braucht retrospektiv meist mehr Tabletten um auf ein erträgliches Niveau zu kommen. Auszuprobieren, wann welche Dosis am besten funktioniert, ist eine gute Idee.
Als Letztes möchte ich noch kurz den psychosomatischen Aspekt von Schmerzen ansprechen. Schmerzen können sich zu einem Teufelskreis entwickeln. Wenn ich den Verdacht habe, es könnte auch ein Thema in den Schmerz hineinspielen, das mich psychisch sehr belastet oder wenn sich die Schmerzsymptomatik auf ständige Beschwerden oder Schmerzen beim Geschlechtsverkehr ausweitet: unbedingt Hilfe holen! Spezialisten sind hier Frauenärzte, gegebenenfalls mit der Zusatzbezeichnung Sexualmedizin oder spezielle Schmerztherapeuten.
Ist zu erwarten, dass heftige Menstruationsschmerzen nach Absetzen der Pille in gleicher Stärke wiederkommen?
Dr. Wallwiener: Das kann schon sein. Habe ich zum Beispiel wegen einer Endometriose die Pille eingenommen, dann wurde sie durch die hormonelle Verhütung unterdrückt und kann einige Zeit nach dem Absetzen wieder aufflammen. Die Pille hat hier keine heilende Wirkung, sondern nur eine hormonell unterdrückende Funktion. Allerdings entwickelt sich die Frau ja auch weiter, wird älter. Vielleicht kommt die ein oder andere Schwangerschaft noch dazu – oft wird von Patientinnen beschrieben, dass die Schmerzen sich seit der Entbindung deutlich gebessert hätten. Aber eine Garantie hat man hierfür nicht, denn jeder Mensch ist anders.