Nachgefragt: Unbekannte Methode
Was ist Ihrer Meinung nach der Grund dafür, dass die symptothermale Methode unter Frauenärzten trotz wissenschaftlicher Literatur so unbekannt ist und als unsicher abgestempelt wird?
Dr. Wallwiener: Das ist wirklich sehr schade.
Zwei einfache Gründe: Viele Standardlehrbücher sind mittlerweile veraltet und die meisten Gynäkologie-Dozenten an der Universität sind keine Verhütungsexperten, sondern haben ihren Schwerpunkt oft im operativen, onkologischen oder geburtshilflichen Bereich. Die Gynäkologie ist eben ein sehr breit gefächertes Fach.
Im Studium lernen wir es entweder
1.: gar nicht oder
2.: falsch.
Beispielsweise lernt man, dass die Kalendermethode (Knaus Ogino-Verhütungsmethode) die natürliche Verhütungsmethode ist. Und diese ist ja in Sachen Verhütungszuverlässigkeit mit einem Pearl-Index von 40 eine Vollkatastrophe! Das prägt sich bei den Studenten ein. Es geht auch schnell um forensische Zusammenhänge: Kann mich die Patientin verklagen wegen einer unerwünschten Schwangerschaft? Da spielt natürlich viel Unsicherheit hinein. Und die Pille hat hier eine ganz andere Präsenz und Lobby als die symptothermale Methode.
Was wird bereits getan und was könnte man noch tun, um die symptothermale Methode als Alternative zur Pille in Ärztekreisen bekannter zu machen?
Dr. Wallwiener: Schulmediziner – und davon bin ich auch einer – mögen gerne gut durchdachte Studien mit großen Zahlen, die eine Wirkung oder einen Zusammenhang eindeutig belegen. Das ist evidenzbasierte Medizin und das kann ich meiner Patientin guten Gewissens empfehlen. Zur symptothermalen Methode gibt es bereits viele Studien, die ihre Wirksamkeit belegen – aber es müssen eben noch mehr werden. Daran arbeitet beispielsweise die Sektion Natürliche Fertilität, eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe, die zum größten fachlichen Zusammenschluss der Gynäkologen und Geburtshelfer in Deutschland gehört – der DGGG (Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe). Die Ärzte untereinander müssen Mundpropaganda betreiben und (mit guten Argumenten und Studien bewaffnet) mit den Kollegen in die Diskussion einsteigen.
Das Thema sollte noch mehr Präsenz auf Fachkongressen haben. Und als präventiver oder auch prophylaktischer Ansatz: Die Lehre im Medizinstudium muss besser werden. Ich arbeite an der Universitätsklinik und kann sagen, dass sich die Studenten sehr für das Thema interessieren und es viele Nachfragen und gute Diskussionen hierzu gibt. Schließlich betrifft es ja doch jeden persönlich.