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Neue Pille, neues Glück

Als ich mit siebzehn meinen ersten Freund hatte, stand von vornherein fest, dass ich dann das erste Mal zum Frauenarzt gehe und mir die Pille besorge. Im Freundeskreis war das so üblich, jedes verantwortungsbewusste Mädchen handhabte das so. Da ich zu dem Zeitpunkt auch nicht mehr in einem Alter war, wo bei den Eltern die Alarmglocken schrillen, fanden meine Eltern es völlig in Ordnung, dass ich mich um die Pille kümmerte. Meine Mutter nahm die Pille selbst auch schon ewig, für sie war die Pille das Verhütungsmittel der Wahl.

Von meiner Frauenärztin habe ich dann die Monostep verschrieben bekommen. Ich habe die Pille noch nicht lange genommen, als ich erste Veränderungen an mir bemerkte: Ich nahm pro Woche ein halbes Kilo zu, lagerte überall Wasser ein. Außerdem bekam ich schlimme Pickel im Gesicht, obwohl ich vorher nie welche hatte. Ich war immer stolz auf meine schöne Haut, aber so traute ich mich ungeschminkt kaum noch vor die Tür. Mein damaliger Freund war leider auch nicht sonderlich sensibel, er begann, sich über meine veränderte Figur lustig zu machen und wenn er mich einmal ungeschminkt sah, kommentierte er meine Hautunreinheiten. Ich wurde dadurch sehr unsicher und fing an, immer mehr an mir zu zweifeln. Insgesamt war ich seit Beginn der Pilleneinnahme auch emotional empfindlicher und leichter angreifbar geworden, ich weinte häufig, fühlte mich hässlich – und das, obwohl ich vorher immer sehr selbstbewusst und souverän war und meine Meinung stets offen vertreten habe. Ich war wie ausgewechselt, was auch meinen Eltern auffiel.

Nach einigen Monaten ging ich daher zu meiner Frauenärztin, die von meiner Beschreibung beunruhigt war und mir ein anderes Präparat empfahl. Ich bekam die Yasmin. Die Yasmin habe ich ungefähr zwei Jahre genommen, die Nebenwirkungen der Monostep verschwanden. Leider behielt ich von den schlimmen Pickeln leichte Narben, die aber zum Glück mit der Zeit verblassten. Mit der Yasmin blieb mein Gewicht konstant, meine Haut war klar, die Haare seltener fettig; grundsätzlich ging es mir gut. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich dann auch meine zweite Beziehung und es war ein gutes Gefühl, die Pille zu nehmen. Wir machten alle erforderlichen Gesundheitstests und mussten daher keine Kondome verwenden, was wir beide schön und sehr bequem fanden.

Leider machten mir nach einiger Zeit starke Unterleibsschmerzen während der Abbruchblutung zu schaffen. Diese wurden jeden Monat stärker und unangenehmer. Ich probierte, die Yasmin durchzunehmen, doch leider wurde ich dadurch extrem reizbar, aggressiv und launisch. Der Langzeitzyklus war für mich also keine Option.

Ein erneuter Besuch bei meiner Frauenärztin ließ mich mit der Valette nach Hause gehen. Doch diese machte alles nur noch schlimmer. Ich erinnere mich an Tage, wo ich während der Abbruchblutung weinend zu Hause lag, kein Schmerzmittel half und ich vor Krämpfen nicht aufstehen konnte. Teilweise bekam ich starke Kreislaufprobleme, kippte um, musste mich beim Einkaufen an Regalen festhalten, Treppensteigen ging nur noch mit Geländer. Gleichzeitig schwollen zur Pillenpause meine Brüste an, sie taten so weh, dass ich sie nicht anfassen konnte, das BH-Anziehen wurde zur Tortur und auch enge T-Shirts waren undenkbar. Kurz: Ich fühlte mich körperlich sehr unwohl.

Auch seelisch ging es mir schlechter. Ich bekam regelmäßig Panikattacken, hatte das Gefühl, keine Luft zu bekommen. Dazu kam eine sehr stark ausgeprägte Todesangst. Ich erinnere mich daran, wie ich an einem schönen, sonnigen Frühlingstag in der Fußgängerzone meiner Heimatstadt stand und mit Blick auf die ganzen Menschenmassen nur dachte, dass all diese Menschen in hundert Jahren tot sein werden und niemand von diesen Menschen mehr dort sein wird. Der Gedanke war so beklemmend, dass ich das Gefühl hatte, nicht mehr atmen zu können, mich nicht weiterbewegen zu können. Zum Glück war meine Mutter dabei, die meine Situation bemerkte und mich nach Hause brachte. In dieser Zeit habe ich täglich über den Tod nachgedacht, das Thema war für mich omnipräsent. Artikel über Gehirnforschung und biochemische Vorgänge im menschlichen Körper ließen mich verzweifeln, da ich keine Antwort auf existentielle Fragen fand und mir alles sinnlos und austauschbar vorkam.

Aufgrund dieser seelischen und körperlichen Probleme bin ich dann erneut zu meiner Frauenärztin gegangen, die nunmehr zu der Überzeugung gelangte, dass ich keine Östrogene nehmen sollte und mir daher die Cerazette verschrieb. Neue Pille, neues Glück – dachte ich, aber es funktionierte nicht. Mir ging es zwar seelisch besser, aber dafür bekam ich Besenreißer an den Beinen, wiederum unreine Haut und Haarausfall. Außerdem blutete ich vier Monate durchgehend. Da meine Frauenärztin beunruhigt von meinen Eisenwerten war, verschrieb sie mir daraufhin den NuvaRing. Sie erklärte mir, dass dieser lokal wirke und daher zu weniger Nebenwirkungen führe. Leider war der NuvaRing für mich nicht gut geeignet, ich spürte ihn dauernd: Beim Sport und selbst beim Lachen schob meine Beckenbodenmuskulatur ihn aus mir raus – also auch keine Alternative.

Abermals bei der Frauenärztin wurde mir dann die Belara verschrieben, die ich insgesamt sechs Monate einnahm. Es ging mir ähnlich, wie unter der Yasmin: seelisch alles in Ordnung, Haut und Haare schön – aber eben auch wieder starke Schmerzen bei der Abbruchblutung. Daraufhin wurde mir die Yaz verschrieben, da diese Pille eine Pause von nur vier Tagen vorsieht; das sollte die Schmerzen während der Abbruchblutung verringern. Es änderte sich allerdings nichts. Mein Körper ließ sich von vier Tagen Pause und 24 Pillen mit Wirkstoff nicht sonderlich beeindrucken: Meine Abbruchblutung war so lang und schmerzhaft wie immer.

Als ich daraufhin wieder bei der Ärztin vorsprach, meinte sie, dass es nun keine Erklärung mehr für meine Beschwerden gäbe; Regelbeschwerden würden für gewöhnlich unter der Pille deutlich weniger werden oder verschwinden, dass ich immer noch welche hätte, könne nicht an der Pille liegen. Ein ausführlicher Ultraschall ergab keine Ergebnisse, meine Ärztin meinte aber, es könne eine Endometriose, eine Wucherung der Gebärmutterschleimhaut, sein. Sie meinte, ich hätte die Pharmaindustrie mittlerweile durch, und da nichts geholfen habe, müsse nun eine Bauchspiegelung her – ein Eingriff, der mich schon ein bisschen beunruhigte.

Ich habe die Entscheidung lange vor mir hergeschoben und irgendwann einen Termin zur Bauchspiegelung in einer Klinik vereinbart. Nach langem Ringen habe ich dann aber doch auf mein Bauchgefühl gehört und die Pille abgesetzt. Nach dem Absetzen der Pille wurden die Regelbeschwerden monatlich besser. Der Verdacht auf Endometriose konnte sich nicht erhärten, da ich ohne Pille nur noch ein leichtes Ziehen im Unterleib hatte. Meine Menstruation kam direkt wieder regelmäßig, sie war schwächer und weniger schmerzhaft.

Das Absetzen der Pille hat aber auch andere Veränderungen mit sich gebracht, die ich über die langen Jahre der Einnahme gar nicht damit in Verbindung gebracht habe. Ich wurde ausgeglichener und robuster, fühlte mich belastbarer und weniger reizbar. Im letzten Jahr meiner Pilleneinnahme konnten mich emotionale Werbespots zu Tränen rühren, das war nach dem Absetzen wie weggeblasen. Ich fühlte mich einfach insgesamt stabiler und auch echter. Auch meine Sexualität veränderte sich. Mich hatte die Pille nie lustloser gemacht, eher im Gegenteil: Ich wollte häufig Sex, wurde aber wütend und frustriert, wenn mein Partner nicht wollte. Ohne Pille wurde ich in dieser Hinsicht ruhiger und entspannter. Ich reagierte nicht mehr persönlich verletzt auf eine Zurückweisung und habe das Thema nicht mehr so überbewertet.

Insgesamt konnte ich mich zu diesem Zeitpunkt nur noch fragen, warum ich das Ganze so lange mitgemacht habe. Ich war mittlerweile 25 und hatte über sieben Jahre die verschiedensten Pillenpräparate probiert. Was war passiert, dass ich diesem Automatismus erlegen war; ein Automatismus, der besagt, dass jede junge Frau die Pille zu nehmen hat? Und warum war mir nicht eher die Idee gekommen, dass diese Verhütungsmethode für mich nicht die richtige ist? Im Nachhinein kam es mir geradezu absurd vor, die weibliche, geschlechtsreife Bevölkerung auf diese Art und Weise mit verschreibungspflichtigen Medikamenten zu versorgen – ohne, dass das in Frage gestellt wird oder Alternativen gesucht werden.

Plötzlich fiel mir auf, dass im Fitnessstudio Werbeplakate bekannter Pharmaunternehmen angebracht waren, die Pillenpräparate für junge Mädchen anpriesen. Für die Haut, für die Haare, für die Figur. Als ob es ein Lifestyle-Produkt wäre, kein Medikament mit Nebenwirkungen. Zunehmend wurde ich auch im Freundeskreis hellhörig, wenn Frauen über Probleme klagten, die ich mit der Pille in Verbindung brachte. Bei jeder zeigte sich das gleiche Bild: eine unheimliche Angst davor, die Pille einfach so abzusetzen. Man müsse den Frauenarzt um Erlaubnis fragen. Wie solle man denn dann verhüten? Der Freund möge keine Kondome – und so ging es weiter. Teilweise trotz gravierender Nebenwirkungen. Als ob man das als Frau eben durchzustehen habe, damit jederzeit bequemer Geschlechtsverkehr möglich ist. Manchmal habe ich mich gefragt, ob die sexuelle Befreiung, die der Pille immer nachgesagt wird, überhaupt eine ist. Sicherlich gibt es viele Frauen, die sie toll vertragen, aber diese Erwartungshaltung, dass man sie zu nehmen hat, die fing an, mich zu stören.

Das Absetzen der Pille führte in meinem Umfeld zu durchwachsenen Reaktionen. Während mein Partner mich stets unterstützte und kein Problem in der Verhütung mit Kondomen sah, reagierte mancher durchaus komisch und abweisend. Meine Mutter kommentierte meine Entscheidung mit den Worten: »Und, habt ihr schon einen Namen für's Kind?« Meine Frauenärztin reagierte ähnlich skeptisch. Wie konnte sie ein Problem mit Kondomen haben, aber kein Problem damit, mir jedes Jahr ein neues Präparat zu verschreiben, obwohl die Nebenwirkungen zum Teil massiv waren? Ich ärgerte mich über diese Reaktionen. Meine Freundinnen reagierten allerdings durchweg positiv. Da ich die erste im Freundeskreis war, die diese Entscheidung getroffen hatte, folgten viele Gespräche über meine Erfahrungen. Viele Freundinnen hatten mit dem Gedanken gespielt, sich aber nie getraut. Mein Absetzen löste im Freundeskreis eine Art Kettenreaktion aus: Einige Freundinnen setzten die Pille ab, wir tauschten uns über Kondome aus, entdeckten nach und nach NFP. Eine Freundin fing sogar direkt mit NFP an, zu einem Zeitpunkt, zu dem ich mich noch nicht traute, eine solche Methode anzuwenden.

Blöde Sprüche gab es allerdings auch – meistens verbunden mit Mitleid für den armen Mann, der damit leben muss, wenn die Frau keine Pille nimmt. Im erweiterten Bekanntenkreis war es selbstverständlich, dass Frauen die Pille nehmen. Einmal wurde ich gefragt, welche ich nehme und ich antwortete, dass ich keine mehr nehme. Der Bekannte antwortete: »Dein armer Freund! Weiß der das? Oder hängst du ihm ein Kind an?« – eine Reaktion, die ich schon ziemlich skurril fand. Aber auch die umstehenden Bekannten reagierten völlig ungläubig und bezeichneten mich als verantwortungslos. Ich hatte häufig das Gefühl, dass ich mich für meine Entscheidung rechtfertigen musste, obwohl ich nicht behaupten kann, mit meiner Verhütung hausieren zu gehen und meistens nur auf Nachfragen reagiert habe.

Insgesamt habe ich die Entscheidung nie bereut. Nach dem Absetzen der Pille habe ich noch gute vier Jahre mit Kondomen verhütet, bis ich mich endlich an NFP herangetraut habe. NFP war eine tolle Erfahrung für mich. Dank eines sehr regelmäßigen Zyklus empfand ich die Auswertung als sehr einfach und konnte regelmäßig an sechzig Prozent der Tage freigeben. Auch mein Partner hat sich in die Methode eingelesen und sich ausreichend Wissen angeeignet, um ihr zu vertrauen. Die Reaktionen im Umfeld waren allerdings erneut skeptisch – die kritischen Stimmen wurden nach zwei Jahren ohne das kleinste Anzeichen einer Schwangerschaft aber langsam ruhiger. Einzig ein Freund meines Partners fühlte sich berufen, ihn vor mir zu warnen, weil er vermutete, ich wolle ihm ein Kind anhängen. Er hatte eine App zur Zyklusbeobachtung auf dem Smartphone einer Freundin entdeckt und von ihr erfahren, dass ich diese App auch habe. Die Vorstellung, dass dieser Freund offenbar davon ausging, dass man eine Beziehung führen kann, ohne dass der Partner weiß, wie verhütet wird, fand ich nahezu belustigend – denn selbstverständlich kannte mein Freund NFP, die dazugehörige App und die dazugehörigen Kurven.

Ich habe mich oft gefragt, warum ich so lange hormonell verhütet habe. Allerdings muss ich auch sagen, dass mir die Zeit einige Erfahrung gebracht hat, welche Auswirkungen Hormone auf einen Menschen haben können: seelisch, charakterlich, körperlich. Ohne Pille fühle ich mich echter, wacher und lebendiger; weniger fremdbestimmt. Wenn ich mir heute meinen Zyklus angucke, gibt es Phasen, in denen ich Bäume ausreißen könnte – und Tage, an denen ich PMS habe und mit einer Decke über dem Kopf im Bett bleiben möchte. Es gibt Hochs und Tiefs, darauf muss man sich einstellen können. Die Tage, die vor dem Eisprung liegen, nehme ich besonders intensiv war: Ich finde sehr viele Männer attraktiv, erfreue mich an Aufmerksamkeit und flirte gerne – während ich gegen Zyklusende glaube, ein hässliches Entlein zu sein, das von niemandem lieb gehabt wird. Mit der Pille war meine Stimmung gleichmäßiger, aber insgesamt schlechter. Wenn ich an die Zeit zurückdenke, kommt sie mir manchmal vernebelt vor, wie unter einer Glasglocke.

Zuletzt muss ich anmerken, dass ich mir teilweise schon Gedanken mache, wie ich mit dem Thema hormonelle Verhütung umgehen möchte, wenn ich selbst einmal eine Tochter habe. Als ich angefangen habe, die Pille zu nehmen, war meine seelische und körperliche Entwicklung noch gar nicht abgeschlossen – und trotzdem habe ich sie über sieben Jahre lang genommen. Es war ein komisches Gefühl, Mitte zwanzig zu sein und nicht zu wissen, wie man eigentlich ohne künstliche Hormone funktioniert. Gleichzeitig ist mir aber auch bewusst, dass es trotz meiner eigenen Erfahrungen viele, viele Frauen gibt, die mit hormoneller Verhütung wunderbar zurechtkommen. Die sich freuen, eine lästige Blutung im Urlaub verschieben zu können, bessere Haut zu haben. Für sie ist die Pille eben einfach eine bequeme und gute Art der Verhütung. Von daher würde ich die Pille nicht per se verteufeln – aber falls ich je eine Tochter haben sollte, würde ich sie informieren und aufklären, damit sie sich ein eigenes Bild machen kann. Mein Ziel wäre es, ihr das Thema Verhütung so zu erklären, dass sie auf Grundlage der vorliegenden Informationen eine selbstbestimmte Entscheidung treffen kann – ohne, dass zum Beispiel Gruppenzwang durch Freundinnen eine allzu große Rolle spielt. Sollte sie sich für hormonelle Verhütung entscheiden, würde ich mit ihr gemeinsam darauf achten, ob sie das Präparat auch gut verträgt. Ich bin der Ansicht, dass man sich die möglichen Nebenwirkungen einfach bewusst machen muss – nicht, um darauf zu warten, sondern um im Fall der Fälle reagieren zu können. Und wenn keine Nebenwirkungen auftauchen: Umso besser.