#MyPillStory Logo

Volle Kontrolle

Ich neige dazu, alles perfekt machen zu wollen. Ich will Dinge anständig planen und möglichst vernünftig handeln. Und weil die meisten bei der Verhütung von der Pille sprachen und davon, wie sicher sie doch ist, war für mich klar, dass ich sie in meiner neuen Beziehung auch nehmen wollte. Jedoch war mir schon von Anfang an unwohl dabei. Der Gedanke, seinen Körper auszutricksen, um nicht mehr normal zu funktionieren, war mir nicht geheuer. Doch die Alternativen dazu erschienen mir zu unsicher.

Ich wollte die Kontrolle – die volle Kontrolle darüber, ob ich schwanger werden würde oder nicht. Also ließ ich sie mir verschreiben. Das ging auch ganz einfach, man merkte, wie beim Verschreiben solcher Medikamente die Routine beim Arzt eingesetzt hatte. Ich wunderte mich ein bisschen, weil es ja viele Präparate gibt. Warum wurde mir genau dieses verschrieben? Alles, was mir gesagt wurde, war, dass diese Pille niedrig dosiert sei, und wenige Nebenwirkungen haben würde. Das klang natürlich gut und hatte mich etwas beruhigt, denn abgesehen von den guten Geschichten über die Pille hatte ich auch furchtbare Horrorgeschichten gehört, bei denen Frauen als Folge der Nebenwirkungen gestorben waren.

Ich bin in meinen Zwanzigern, fing also vielleicht vergleichsweise spät mit der Hormoneinnahme zur Verhütung an. Ich beruhigte mich mit dem Gedanken, dass die Pille schließlich auch jüngeren Mädchen verschrieben wird. Etwas, das so jungen Leuten verabreicht wird, kann doch nicht so schädlich sein. Ich las mir die Packungsbeilage intensiv durch, um die Einnahme fehlerfrei durchzuführen. Natürlich auch die Nebenwirkungen, die bei diesem Präparat wirklich nicht besonders schlimm klangen. Schließlich begann ich mit der Einnahme.

Erst war es, als würde sich nichts verändern. Doch dann setzten wie aus dem Nichts regelmäßig Bauchkrämpfe ein. Was dann jeden Morgen auf der Toilette los war, erspare ich euch wohl lieber. Jedenfalls war es so beunruhigend, dass ich zum Hausarzt gegangen bin. Ich fragte ihn, ob es an der Pille liegen könnte, dass ich solche Magenkrämpfe bekam. Er meinte, es könne gar nicht daran liegen, Nebenwirkungen könne man sowieso erst nach drei Monaten feststellen, wenn sich der Körper voll auf die Hormonzufuhr eingestellt hätte. Er vermutete eher, dass der Grund meine Nervosität war und mich die Prüfungen, die ich bald haben würde, vermutlich durcheinander gebracht hätten. Er verschrieb mir pflanzliche Magenberuhiger.

Da es nicht besser wurde, ging ich noch einmal hin, schilderte meine Probleme erneut und bestand auf einer umfassenderen Untersuchung. Bei dieser waren die Ergebnisse zum Glück in Ordnung. Der Arzt meinte noch immer, es könne nicht von der Pille kommen. Er überzeugte mich und ich fing an zu glauben, dass ich vielleicht eine Lebensmittelunverträglichkeit entwickelt haben könnte.

An einem Morgen bin ich unter starken Schmerzen im Unterbauch aufgewacht. Ich fühlte mich, als würde irgendwas in mir absterben. Solche Schmerzen hatte ich an dieser Stelle noch nie gehabt. Als es sich leicht beruhigt hatte, fuhr ich zum Krankenhaus in die Notaufnahme, weil es Wochenende war und kein Arzt geöffnet hatte und weil ich nun endlich Gewissheit haben wollte.

Ich ließ mich untersuchen. Es wurde nichts gefunden. Trotzdem wollten sie sicher gehen und gaben mir einen Termin zur Darmspiegelung. Langsam wurde es echt unerträglich. Ich war noch nie in meinem Leben so oft beim Arzt gewesen. Ich hatte solche Angst vor dem, was mit meinem Körper los war. Auch diesen Termin ließ ich über mich ergehen. Es wurde nichts gefunden. Ich war gesund. Jetzt hatte ich die Schnauze voll. Ich ging zum Frauenarzt und schilderte auch dort meine Schmerzen und fragte, ob diese Symptome von der Pille kommen könnten. Mir wurde gesagt, dass es eigentlich nicht daran liegen kann. Ich wollte die Pille nicht mehr nehmen und fragte nach Alternativen. Mir wurde ein Rezept für den NuvaRing ausgestellt, der ja noch geringer dosiert sein soll.

Ich testete ihn drei Monate, doch ich bekam davon Migräne und fühlte mich nicht wohl damit. Also machte ich mich abermals auf den Weg zum Frauenarzt. Ich nannte alles, was ich bisher mit den Hormonen erlebt hatte. Er konnte mich davon überzeugen, eine andere Pille auszuprobieren. Jetzt erst wurde mir erklärt, dass es für verschiedene Präparate auch andere Inhaltsstoffe gab, die jeder Mensch anders verträgt.

Stutzig wurde ich, als ich den Arzt fragte, ob die Pille bei mir überhaupt richtig wirkt, und er meinte, dass sei bei jedem anders. Die Pille wird also verschrieben und sie ist sicher – aber es kann auch vorkommen, dass ein bestimmtes Präparat bei manchen Frauen doch versagt? Die neue Pille hatte in ihrem ... ich will schon fast sagen Nebenwirkungskatalog etwa achtmal mehr Nebenwirkungen verzeichnet als die letzte Pille. Aber davon wollte ich mich nicht abschrecken lassen, schließlich musste ja nicht alles auf mich zutreffen.

Erst erschien es wieder so, als sei mit der neuen Pille alles in Ordnung. Aber dann bekam ich Hautprobleme. Insbesondere Kopfhautprobleme. Und meine Libido war im Keller. Ich bekam Angstattacken, fühlte mich scheußlich, unattraktiv. Ich hatte wie aus dem Nichts Angst, meinen Partner zu verlieren, obwohl es keinerlei Gründe dafür gab und unsere Beziehung sehr gut läuft. Noch dazu war ich phasenweise jeden Tag schlecht drauf. Deprimiert.

Nach einem Jahr hormoneller Verhütung, den ganzen Arztbesuchen und Lebensumstellungen, hatte ich nun endgültig genug. Ich erklärte meinem Frauenarzt, dass ich keine Hormone mehr nehmen wollte, da ich durch und durch nur schlechte Erfahrung gemacht hatte. Ich ließ mich informieren und insbesondere die symptothermale Methode machte mich neugierig, weil sie ja auch so sicher wie die Pille sein soll. Ob sie das Richtige für mich ist, kann ich noch nicht sagen, da ich gerade erst damit anfange.

Aber eins kann ich mit Sicherheit über meine Erfahrung mit der Pille sagen: Ich wollte die Kontrolle – die volle Kontrolle! Doch ich habe sie verloren. Und das Gefühl für meinen Körper gleich mit. Auch das Vertrauen in Ärzte habe ich verloren. Ärzte, die mich mit Halbwissen und trotz meiner präzisen Nachfragen Hormone schlucken ließen, obwohl bekannt ist, dass jeder Mensch anders auf sie reagiert. Manche sterben dann vermutlich auch daran. Andere merken nichts davon. Ich bin mir sicher, dass es viele Frauen gibt, die nicht merken, dass sich mit der Einnahme etwas an ihnen zum Negativen verändert hat. Sie ziehen wegen unzureichender Informationen nicht in Betracht, dass die Pille die Ursache sein könnte. Und irgendwann sind sie so an diese Macken gewöhnt, dass sie glauben, das sei ganz normal.

Sich unwohl zu fühlen ist nicht normal. Ich bin froh, dass ich das endlich erkannt habe.