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Alles ganz selbstverständlich

Mit 16 Jahren habe ich angefangen, die Pille zu nehmen. Ich war mit meinem ersten Freund zusammen gekommen und meine Mutter, medizinische Fachangestellte bei einem Gynäkologen, fragte, ob ich nicht die Pille nehmen wolle. Dass die Pille nicht ganz ohne ist, das wusste ich. Aber ich vertraute meiner Mutter und letztlich auch meinem Frauenarzt, der sie mir mindestens so selbstverständlich verschrieb, wie meine Mutter sie mir empfohlen hatte. Zudem dachte ich mir: Hey, für mich ist das kein Aufwand, einmal am Tag eine Tablette zu schlucken und dafür muss man sich sonst gar keine Gedanken um Verhütung machen, tolle Sache! Zusätzlich hatte ich die Hoffnung auf ein besseres Hautbild und diese hat sich auch erfüllt. Die Pille war in meinem Umfeld das gängigste Verhütungsmittel und auch mein Freund ging davon aus, dass ich sie mir verschreiben lassen würde. Alles ganz selbstverständlich.

Ich schluckte also brav jeden Abend meine Pille. Auf Rat meines Arztes im Langzeitzyklus. Leider verlor ich den Überblick und nahm regelmäßig mehr als die empfohlenen drei Blister nacheinander. Unangenehme körperliche Nebenwirkungen wie Schmierblutungen hatte ich nicht; dass meine Brüste größer wurden, fand ich gut. Deshalb empfand ich das Durchnehmen als extrem praktisch: Sex haben, wann wir wollten, nicht ans Wechseln von Tampons denken müssen, wunderbar! Ich habe mich durch meine Periode damals durchaus eingeschränkt gefühlt, ich hatte Kreislaufprobleme und Rückenschmerzen. Das hat sich nicht geändert, heute weiß ich jedoch anders damit umzugehen.

Von diesen unangenehmen körperlichen Beeinträchtigungen hatte mich die Pille befreit und körperliche Nebenwirkungen bekam ich keine. Dafür schlichen sich nach ungefähr zwei Jahren psychische Nebenwirkungen ein: Ich fing immer öfter an, grundlos zu weinen; ich fühlte mich furchtbar, konnte aber nicht erklären, was genau los war. Mein Freund wusste sich in diesen Situationen auch nicht zu helfen und ich fühlte mich im Stich gelassen. Ich schob es auf die Pubertät, ich stellte meine Beziehung in Frage, ich machte die lange zurückliegende Scheidung meiner Eltern verantwortlich. Dass die Pille Stimmungsschwankungen verschlimmern und zu depressiven Verstimmungen führen kann, wusste ich zwar – doch ich war sicher, dass es bei mir nicht daran lag.

Das hielt ich ungefähr ein Jahr lang aus. Dann beendete ich auf unschöne Weise meine Beziehung und setzte die Pille ab, denn nach Verhütung bestand ja kein Bedarf mehr. Damals war ich ungefähr zwanzig. Durch die Trennung ging es mir nicht besonders gut, aber nachdem ich abgesetzt hatte, fühlte ich mich deutlich besser. Mir fehlt dafür ein Wort, daher nenne ich es Grundgefühl: die Stimmung, die tagtäglich die Basis ist; das Gefühl, das dir sagt, wie es dir insgesamt in deinem Leben geht. Du kannst dich furchtbar fühlen, weil du dich mit jemandem gestritten hast, aber bei einem guten Grundgefühl erschüttert dich das nicht in deiner emotionalen Grundfeste. Im letzten Jahr mit der Pille war mein Grundgefühl furchtbar. Ich frage mich bis heute, wie ich damals mein Abitur geschafft habe. Unverstanden, traurig, allein, unter Stress: Ich habe mich fast durchgängig schlecht gefühlt. Das hat sich sehr schnell geändert, als ich abgesetzt habe.

Da warf ich dann einen Blick in den Beipackzettel, den ich vorher nur für Einnahmeregeln zu Rate gezogen hatte. Nebenwirkungen. Erst an diesem Punkt ging mir ein Licht auf. Ich stöberte in allen Ecken des Internets. Ich fing an, mich näher mit anderen Methoden zur Verhütung und zur Monatshygiene auseinanderzusetzen und hinterfragte immer mehr den Sinn der Pille. Und ich schwor mir, dass ich nie wieder unnötig Hormone nehmen würde – es gibt ja andere Möglichkeiten.

Bei meiner zweiten Beziehung verhüteten wir dann anfangs mit Kondomen. Für ihn war das glücklicherweise kein Problem, allerdings sollten die Kondome für mich kein Dauerzustand sein. Bald ließ ich mir die Kupferspirale legen. Heftige Menstruationsbeschwerden, starke Blutungen und Krämpfe waren die Folge und ich spürte die Spirale häufig, obwohl sie richtig lag. NFP hatte ich mir damals schon überlegt, hatte jedoch keine Motivation mich tiefer einzulesen und ertrug lieber die Spirale, als auch nur für einige Tage im Zyklus zu Kondomen zurückzukehren.

Die Beziehung ging vorbei. Nachdem die Spirale verrutscht war, legte mir mein Arzt eine neue. Es war das gleiche Modell, aber ich hatte irgendwann durchgängig Schmerzen, weshalb mein Arzt in meinem neuen Wohnort sie mir zog. Zwar hatte ich akut keinen Verhütungsbedarf, doch ich hatte gehofft, die Kupferspirale würde funktionieren: keine Hormone, kein Aufwand. Aber gut, erstmal war das Thema nicht mehr so wichtig und ich freundete mich mehr und mehr mit mir und meinem Zyklus an und nahm mir Zeit, mich zu beobachten.

Dann kam ich mit meinem jetzigen Freund zusammen und ich machte mir Gedanken. Hormone standen außer Frage, bei der Kupferspirale und der Kupferkette hätte ich aber auch kein gutes Gefühl gehabt. Wir führten Gespräche und ich erzählte, wie es mir damals mit der Pille ging. Leider ging mein Freund damit nicht so um wie erhofft: Bei all seinen Exfreundinnen sei das nie ein Thema gewesen, die hätten alle hormonell verhütet. Ich ließ mich breitschlagen, weil ich keinen Ausweg wusste. Vielleicht würde es ja doch funktionieren.

Zu meinem Arzt habe ich glücklicherweise ein Vertrauensverhältnis, das es mir erlaubt, offen alle meine Bedenken und Gedanken zu äußern. Er schlug vor, die Pille zu probieren, und falls es nicht ginge, würden wir ein anderes Präparat testen. Es passierte exakt das, was ich befürchtet hatte. Mir ging es wie mit neunzehn schon, ich hatte schlimme Stimmungsschwankungen, fühlte mich furchtbar, energielos. Nach wenigen Wochen Pilleneinnahme hatte ich an einem Nachmittag das Gefühl, als würde ein Schalter in mir umgelegt, als wäre ich nicht mehr ich selbst. Noch dazu fühlte ich mich nicht ernstgenommen und allein gelassen, weil man trotzdem verlangte, dass ich die Pille nehme – immerhin ging mein Freund davon aus, dass das alle Frauen so oder ähnlich machen und sah es als meine Aufgabe, für die Verhütung zu sorgen. Nach drei Monaten wechselte ich die Pille, doch mein Zustand besserte sich nicht.

Es folgten wieder Gespräche, bei denen mein Freund ein wenig Kompromissbereitschaft und Interesse zeigte. Er wolle natürlich nicht, dass es mir wegen der Pille nicht gut ging – ich sollte also gern absetzen, wenn ich das für die Lösung hielte. Und dann müsste man sich eben etwas anderes überlegen. Ich wollte NFP versuchen und er las sich auch das Buch durch, das ich mir dafür zugelegt hatte.

Ich setzte ab und mir ging es besser. Allerdings schliefen wir nicht mehr miteinander. Es herrschte vollkommene Flaute. Bis ich es ansprach und wir diskutierten wieder. Er vertraute der Methode nicht und mit Kondomen würde er zu wenig spüren. Nun war und ist es mir natürlich auch wichtig, dass es für meinen Partner schön ist, wenn wir miteinander schlafen. Ich war bei verschiedenen Ärzten, diskutierte die kleine Hormonspirale, die Kupferkette und die Kupferspirale. Die Hormonspirale kam aufgrund der aufgelisteten Nebenwirkungen (»depressive Verstimmungen«) für mich nicht infrage, was mein Arzt auch verstand. Von den beiden letzten rieten mir zwei Ärzte ab. Von der Kupferkette aus Prinzip und von der Kupferspirale, weil ich sie schon einmal nicht vertragen hatte. Mein Arzt weigerte sich im letzten Gespräch, sie mir zu legen und sprach auch aus, dass uns die Möglichkeiten ausgehen: Ich sollte mit meinem Freund sprechen und er müsse sich wohl an Kondome gewöhnen.

Ich besprach all die Arztbesuche immer im Nachhinein mit meinem Freund, der sich endlich interessierter und verantwortungsbereiter zeigte. Ihm wurde klar, dass ich keineswegs andere Möglichkeiten nicht in Betracht ziehen wollte, sondern die Methoden bei mir schlichtweg nicht zur Auswahl stehen. Für mich kommen einfach aus den unterschiedlichsten Gründen keine Methoden in Frage, bei denen er sich um nichts kümmern muss. Nicht, weil ich keine Lust habe, etwas auszuprobieren, sondern weil es mir damit nicht gut geht, sei es körperlich oder seelisch.

Vollkommen gelöst ist das Problem noch nicht, aber ich habe beschlossen, meinem Freund einfach noch etwas Zeit zu geben und werde eben wieder das Gespräch suchen. Der Coitus interruptus ohne Kondom ist mir einfach nicht sicher genug, doch in der unfruchtbaren Zeit nach dem Eisprung vertraue ich auf NFP und meine Auswertung. So verantwortungsbewusst, wie ich damals die Pille einnahm, so messe ich jetzt meine Temperatur und werte meinen Zervixschleim aus.

Momentan bin ich im zweiten Zyklus mit NFP und ich komme gut damit zurecht, morgens meine Temperatur zu messen und andere Zeichen zu beobachten, aufzuschreiben und zu interpretieren. Ich finde es zurzeit unglaublich wichtig, mich mehr mit mir selbst zu beschäftigen und damit, wie es mir geht. Ich notiere mir mehr als nur Zyklusanzeichen, zum Beispiel auch Sport, und habe damit einen Überblick über viele Dinge, die mir in meinem Leben wichtig sind.

Seit ich weiß, in welcher Zyklusphase ich stecke, welche Hormone in mir gerade ihre Aufgabe erledigen, habe ich das Gefühl, mehr bei mir zu sein, mehr eins mit mir selbst zu sein. Außerdem habe ich mir in Foren und Workshops anderes Wissen angeeignet und kann jetzt besser mit meinem PMS umgehen. Ich möchte mich selbst besser behandeln. Ich mag meinen Körper, ich mag meinen Zyklus und ich möchte ihn nicht unnötig stören, wenn es auch anders geht. Nicht zuletzt wird mir immer klarer, worauf es mir in einer Beziehung ankommt und was meine Prioritäten sind!