Nachgefragt: Zu jung
In den letzten vier Erfahrungsberichten waren die Frauen noch sehr jung, als sie mit der Pille anfingen. Welche Auswirkungen hat die Einnahme der Pille auf so junge Mädchen? Welches Mindestalter würden Sie für die Pilleneinnahme empfehlen?
Dr. Wallwiener: Die Pille mit 10 ist schon ein sehr extremer Fall. Um sich für so eine frühe Einnahme zu entscheiden sollte man schon mit dem Rücken an der Wand stehen und die Patientin einen sehr hohen Leidensdruck haben.
Insgesamt wird die Pille bei Mädchen unter 13 Jahren selten verschrieben. Daher gibt es auch keine guten Daten zu möglichen Nebenwirkungen der frühen Einnahme von oralen Kontrazeptiva. Die größte Sorge gilt der Knochengesundheit. Die Pille steht im Verdacht, beim noch nicht ausgewachsenen Skelett von Jugendlichen die Knochendichte zu verringern. Bei der Dreimonatsspritze ist die Reduzierung der Knochendichte nachgewiesen.
Das jüngere Verschreibungsalter hängt sicher auch damit zusammen, dass die Menarche – die erste Regelblutung – immer früher einsetzt. Die Gründe hierfür sind vielfältig und liegen beispielsweise am besseren Ernährungszustand heutzutage im Vergleich zu früheren Generationen. Ein pauschales Mindestalter möchte ich nicht angeben, aber folgende Tatsache ist zu bedenken:
Der Zyklus ist die ersten Jahre meist unregelmäßig und das ist keine Pathologie, sondern pendelt sich meist von selbst ein. Ein unregelmäßiger Zyklus sollte also an sich noch kein Grund sein, einem jungen Mädchen die Pille zu verschreiben. Auch Periodenschmerzen können anfangs sehr stark oder zumindest ungewohnt und damit beängstigend sein. Hier sollten krankhafte Ursachen ausgeschlossen werden. Liegt keine Erkrankung vor, gibt es auch andere Optionen als die Pilleneinnahme.
Ich bin mir in einem Punkt sicher: Der so frühe Start der Pilleneinnahme hat Auswirkungen auf die Entwicklung der Sexualität. Klassischerweise ist es ja so, dass die Mädchen vor dem ersten Mal in die Frauenarztpraxis kommen, meist mit der Mutter zusammen. Das Gespräch beginnt dann häufig so: »Meine Tochter hat jetzt einen Freund und daher möchte ich, dass sie ihr die Pille verschreiben.«
Ich erlebe häufig, dass dann ab etwa 14 Jahren die Pille eingenommen wird bis zum Kinderwunsch. Die gesamte Entwicklung der Sexualität findet also unter Einnahme statt. Entsprechende Überraschungen gibt es manchmal, wenn die Pille seit 3-4 Monaten nicht mehr eingenommen wird und sozusagen das erste Mal ohne Hormone stattfindet. Gerade Frauen, die mit der Pille unter Libidoproblemen leiden, entdecken eine ganz neue Seite ihrer Sexualität – und sind entsprechend traurig, sauer und frustriert, wenn sie erkennen, welche Lebensqualität ihnen bisher verwehrt blieb. Kann man doch gut verstehen, oder?
Meiner Meinung nach ist NFP für Jugendliche aus verschiedenen Gründen eher nicht geeignet, meist fehlt die gewisse Reife, um die Methode sicher anwenden zu können. Aber ich würde mir wünschen, dass die symptothermale Methode ab einem gewissen Alter bei der Vorsorge thematisiert wird, zum Beispiel in einer Teenagersprechstunde. So kann ein Bewusstsein für Fertilität geschaffen und das natürliche Interesse an Körpervorgängen gestärkt werden. Im Idealfall entsteht daraus auch ein gesundes Körperbewusstsein.