Gluten und Laktose
Ich war vierzehn Jahre alt, in meinem Freundeskreis damals irgendwie ein Spätzünder – ich hatte zwar immer mal wieder einen Freund, aber es war noch nicht so der Richtige dabei gewesen. Zu meiner Jugendweihe, mit der der Eintritt ins Erwachsenenalter gefeiert wird, kam dann meine Mutter etwas überraschend ins Bad gestürmt als ich auf Toilette war und erzählte mir leicht schwankend etwas von »Ich weiß ja, dass alle deine Freundinnen schon ihr erstes Mal hatten, wenn es bei dir soweit ist, dann komm bitte zu mir und dann gehen wir zum Frauenarzt und du bekommst die Pille.« – Ich konnte noch mit okay antworten und dann war sie auch schon wieder raus aus dem Bad.
Seltsame Situation irgendwie, meine Aufklärung haben meine Eltern der Schule überlassen und auch sonst habe ich über Sexualität nicht mit meinen Eltern geredet, unter anderem auch, weil es irgendwie noch nicht so richtig ein Thema für mich war. Aber wie das nun mal so ist, wenn ein Thema einmal auf dem Tisch ist, dauert es auch nicht lange, bis Taten folgen. Ich habe also mit vierzehn mein erstes Mal gehabt und direkt in der Woche darauf saß ich auch zum ersten Mal bei der Frauenärztin meiner Mutter. Ein unbehagliches Gefühl, denn die Ärztin war nicht unbedingt die freundlichste, etwas schroff vielleicht. Sie hat mir dann ein Rezept in die Hand gedrückt für die Pille. Aufklärung: Fehlanzeige. Eine kurze Beschreibung, wie ich sie einzunehmen habe und dann durfte ich wieder gehen. Also bin ich mit dem Rezept zur Apotheke und habe mir das erste Mal die Pille geholt: Microgynon, eine Packung für drei Monate.
Ich hatte dann in den ersten zwei oder drei Monaten immer wieder Zwischenblutungen, das kannte ich von mir eigentlich gar nicht. Mit zwölf habe ich meine Menstruation das erste Mal bekommen, ich hatte sie immer ein oder zwei Tage recht stark, aber fast schmerzfrei und recht regelmäßig. Die Frauenärztin sagte, dass es normal sei, dass man am Anfang Zwischenblutungen hat und der Zyklus sich erst einmal einpendeln müsse. Außerdem bräuchte ich mir keine Sorgen zu machen, denn es sei eine niedrig dosierte Pille, perfekt für junge Frauen. Junge Frau, das zog bei mir definitiv. Mit der Jugendweihe war ich zu einer Erwachsenen geworden, da empfand ich die Pille als passend, denn sie machte mich zu einer jungen Frau; zu dem, was eigentlich jedes Mädchen möglichst bald sein möchte: eine junge, schöne Frau.
Ich habe Microgynon bis zu meinem siebzehnten Lebensjahr genommen. Dann bekam ich Akne auf dem Rücken und hatte immer wieder, trotz kaum vorhandener Menstruation, starke Unterleibsschmerzen. Mir wurde dann ein Wechsel der Pille empfohlen, also zog Valette in mein Badezimmerregal ein, eine Pille, die schöne Haut machen und gegen die Regelschmerzen helfen sollte. Wie das funktioniert, hat mir keiner erklärt, auch wieder keine Aufklärung über Nebenwirkungen oder Ähnliches, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt schon einen anderen Frauenarzt hatte. Zumindest für ein paar Monate hat Valette das getan, was sie tun sollte: Sie minimierte meine Menstruationsbeschwerden. Als ich mich dann mit 21 Jahren krankschreiben lassen musste, weil ich vor Schmerzen kaum gehen konnte, war die Lösung des Frauenarztes der Langzeitzyklus. Mit Valette überhaupt kein Problem, einfach keine Pause mehr machen, sondern die Pille sechs Monate durchnehmen.
Für mich war das völlig okay. Ich glaube, nur die wenigsten Frauen sind traurig, nur aller sechs Monate ihren roten Besuch zu bekommen. Ich war zu dem Zeitpunkt in einer festen Beziehung und es passte mir gut, dass man jetzt sechs Monate am Stück der sexuellen Lust nachgehen konnte. Doch die Langzeiteinnahme ging nur eineinhalb Jahre lang gut. Ich habe mit fast 23 Probleme mit dem Darm bekommen. Ich konnte essen was ich wollte, ich bekam von allem Durchfall. Dazu kamen häufige Kopfschmerzen bis hin zur Migräne und starke Stimmungsschwankungen. Ich war dann bei vielen Ärzten, habe mithilfe eines Homöopathen zumindest meinen Darm wieder in den Griff bekommen. Ich fing an, Sport zu machen und damit ging es mir super. Also für mich war alles wieder im Lot. Einfach regelmäßig Sport und die Ernährung etwas umstellen und schon ist alles wieder gut.
Nur wenig später, mit 25, bekam ich rheumatische Symptome; Schmerzen in allen Gelenken, wieder Durchfall, ich war ständig traurig. Ich kam dann ins Krankenhaus auf die Rheumatologie, um zu testen ob es nun Rheuma ist oder nicht. Gefunden wurde nichts, ich wurde mit dem Befund verschleppte Virusinfektion wieder entlassen, krank war ich vorher nicht, aber es war die Meinung der Ärzte und keiner wollte weiter forschen. Also habe ich es auch irgendwie hingenommen.
Mit 26 hat mein Körper mich dann vollständig lahm gelegt. Ich habe mich von Juni 2014 bis April 2015 in psychologischer Behandlung befunden wegen Depressionen, ausgelöst durch Enttäuschung im Beruf und meinem zu starken Ehrgeiz, so die Diagnose der Therapeutin. Und natürlich hatte ich wieder Durchfall. Die Darmspiegelung ergab nichts, die Ärztin im Krankenhaus sagte, das Wahrscheinlichste sei eine Glutenunverträglichkeit, da ich auch laktoseintolerant bin. Ich habe dann meine Ernährung umgestellt auf glutenfreie Produkte, doch das hat nur bedingt geholfen. Dann habe ich meine Ernährung umgestellt auf Dinkel und Roggen, damit ging es mir viel besser. Leider nur so lange, wie ich mich auch daran gehalten habe. Kleine Appetitausreißer fand mein Körper nicht gut und honorierte es wieder mit Durchfall. Dementsprechend habe ich es auch viele Jahre nicht geschafft, mehr als 48 Kilo auf die Waage zu bringen. An sich kein Problem, aber 2 Kilo mehr hätte ich schon gerne gehabt.
Nach der Depression war es auch mit der Libido so richtig vorbei, davor hatte ich ganz oft keine Lust, während und nach der Depression war es ganz aus. Mein Freund sagte immer, dass wir dann halt Sex haben würden, wenn ich Lust habe. Hätte ich das so umgesetzt, dann hätten wir eineinhalb Jahre lang keinen Sex gehabt. Dann wären wir wahrscheinlich jetzt nicht mehr zusammen. Keine Libido: das einzige Problem in unserer sonst so wundervollen Beziehung und damit auch ganz oft ein Streit- oder zumindest Diskussionsthema.
Im Dezember 2015 wurde ich durch Beiträge auf Facebook das erste Mal auf die Nebenwirkungen der Pille aufmerksam. Irgendwann habe ich dann mal so einen Artikel gelesen und ich war schockiert. Ich habe es meinem Freund erzählt und wir haben uns entschieden, uns mal die Packungsbeilage meiner Pille anzusehen. Erster Schock: Die Packungsbeilage ging über unseren halben Küchentisch. Zweiter Schock: Mittendrin in großen Buchstaben der Hinweis auf erhöhtes Thromboserisiko. Wir haben uns dann die Liste der Nebenwirkungen vorgenommen und angefangen anzukreuzen welche Symptome ich habe oder hatte:
Depressive Verstimmung, Schwindel, Migräne, Bauchschmerzen, Übelkeit, Hautausschlag, Juckreiz, schmerzhafte Monatsblutungen, Ausfluss aus der Scheide, Erschöpfung einschließlich Schwäche, Ermüdung, Harnwegsinfektionen / Blasenentzündung, gutartige Wucherungen in der Gebärmutter, gutartige Wucherungen im Fettgewebe der Brust, Schlafstörungen, Hitzewallungen, männliche Behaarung, vermindertes sexuelles Verlangen (Libido).
Für mich war diese Anzahl an eventuell mit der Pille zusammenhängenden Beschwerden eindeutig zu viel und für meinen Freund auch. Wir haben lange über Alternativen nachgedacht. Hormone kamen für mich nicht mehr infrage, über die Kupferspirale hatte ich auch viel Negatives gehört. Durch Zufall habe ich dann wieder bei Facebook von NFP erfahren, ich habe mich im Internet eingelesen und für mich beschlossen, dass es genau das ist, was ich machen möchte.
Bei meinem Freund hat es etwas Überzeugungsarbeit gebraucht, doch er wollte, dass ich mich wohlfühle. Am 2. März 2016 habe ich meine letzte Valette eingenommen. Meine Abbruchblutung kam vier Tage später und da startete ich mit NFP. Voller Spannung habe ich jeden Tag gemessen und meinen Zervixschleim beobachtet. Erstaunt war ich darüber, dass sich die ersten Veränderungen sehr schnell bemerkbar machten: Meine Libido regte sich, meine Stimmung war schon fast ekelhaft gut und für meinen Freund am frühen Morgen nur ganz schwer zu ertragen. Meine Übelkeit war weg, kein Durchfall mehr, obwohl ich ganz oft Dinge aß, die ich sonst nicht vertragen habe.
Mittlerweile bin ich im dritten Zyklus nach der Pille. Alle Zyklen waren bilderbuchmäßig und super auswertbar. Ich habe das Gefühl, fraulicher zu sein, also nicht nur von den Rundungen her, denn meine Hosen gehen nur noch schwer über Oberschenkel und Po, sondern auch vom Körpergefühl her. Ich fühle mich schön, überlege jeden Tag, was ich anziehe, was mir früher egal war. Ich fühle mich sexy und mache mich gerne zurecht. Der Sex mit meinem Freund ist viel intensiver in jeglicher Hinsicht. Ich habe keine Kopfschmerzen mehr. Regelschmerzen habe ich einen Tag und ansonsten bemerke ich meine Menstruation so gut wie gar nicht. Ich hatte nach Absetzen der Pille starken Haarausfall und fettige Haare, das geht jetzt auch langsam zurück. Ich habe ein paar Pickel; mal mehr, mal weniger. Meine Körperbehaarung wird weniger. Ich schlafe wie ein kleines Baby. Allgemein kann man sagen, ich fühle mich wie ein ganz anderer Mensch. Ich bin glücklich, so richtig glücklich – auch dieses Gefühl fühlt sich anders an.
Und meine Freund? Der ist happy, eine Frau an seiner Seite zu haben, die sich mit und in ihrem Körper wohlfühlt. Ich habe endlich das Gefühl, Ich zu sein und ich mag es, die Veränderungen während meines Zyklus zu spüren – auch wenn sie manchmal nicht ganz angenehm sind. Doch wenn ich mich nicht gut fühle, weiß ich jetzt wenigstens, woher es kommt. Wenn ich meinem vierzehn Jahre alten Ich einen Rat geben könnte, dann würde ich mir raten, die Finger von der Pille zu lassen. Ich bin froh, die Pille nicht mehr zu nehmen, meinen Körper bewusst zu spüren und ich setze mich nicht mehr dem erhöhten Risiko aus, Thrombose oder eine Embolie zu bekommen. Jede Frau, die ich treffe und die sich dafür interessiert, bekommt von mir ausführliche Informationen. Jetzt bin ich diejenige, die Beiträge auf Facebook teilt und versucht, auf die Risiken der Pille aufmerksam zu machen. Ich bin dankbar, dass ich dort auf Informationen gestoßen bin und versuche, dieses Wissen weiterzugeben.