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Wow, du nimmst schon die Pille?

Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie es war, als ich zum ersten Mal meine Periode bekam. Die Sommerferien hatten gerade angefangen; ich war neun Jahre alt und völlig unaufgeklärt. Ich sah das Blut und dachte, ich müsse sterben. Ich hatte Angst und rannte zu meiner Mutter. Wenigstens über die monatliche Regel hat sie mich bei dieser Gelegenheit aufgeklärt und mir Damenbinden in die Hand gedrückt. Leider fing mein Leidensweg damit gerade erst an.

Meine Periode kam von Anfang an relativ regelmäßig und wurde jedes Mal von starken Schmerzen und Kreislaufproblemen begleitet. Mein Kreislauf war so instabil, dass ich mehrfach einfach umkippte. Nach etwa sechs oder sieben Monaten schickte mich meine Mutter zur Frauenärztin. Diese überlegte nicht lange und verschrieb mir die Pille. Ich war gerade mal zehn Jahre alt.

Meine Pille hieß Leios. Sie war in einer lila-gelb-roten Schachtel verpackt, dazu gab es Tampons und ein Kondom als Geschenk. Ich nahm sie. Dann nahm ich sie mal nicht. Dann mal wieder. Ich war damals einfach zu jung, um die Verantwortung zu begreifen, die mit der Pille einhergeht. Meine Eltern achteten nicht wirklich darauf. Sie waren wohl der Meinung, dass ich schon alt genug sei. Ich hatte damals Schmierblutungen, die fast durchgängig anhielten – kein Wunder, ich war mit der unregelmäßigen Einnahme ja selbst Schuld daran.

Nach circa zehn bis zwölf Monaten ging ich wieder zum Frauenarzt, ich war mittlerweile elf. Ich erzählte der Ärztin von den Blutungen, verschwieg aber, dass ich die Pille nicht regelmäßig nahm. Ich hatte Angst vor der Reaktion der Ärztin; sie war unfreundlich, kurz angebunden und eher vom alten Schlag. Sie meinte dann: »Ganz klar: Die Pille ist zu niedrig dosiert. Versuchen wir eine andere!« Mir wurde die Yasmin verschrieben. Ich erinnere mich noch, wie hübsch ich die Verpackung fand und an den Schlüsselanhänger, der dabei war.

Mittlerweile hatten mehrere Mädchen in meiner Klasse ihre Periode bekommen und was mir erst so hochgradig peinlich war, war nun Gesprächsthema Nummer Eins auf dem Schulhof: »Hast du deine Tage schon?« – »Wow, du nimmst die Pille?« – »Ich nehm' die XYZ, die macht große Brüste und ich hab keine Pickel mehr!« Ich nahm diese Pille dann regelmäßig. Meistens nahm ich sie in der Schule, damit die anderen auch sahen wie erwachsen und cool ich war.

Leider bekam ich unter der Yasmin schlimme Wassereinlagerungen. Meine Brüste, die mitten in der Entwicklung waren, schmerzten tagein, tagaus. Ich bekam immer häufiger Migräneanfälle. Die Ärztin schob das allerdings auf die Pubertät und erklärte, dass das völlig normal sei in meinem Alter. Irgendwann war der große Hype um Periode und Pille in der Schule vorbei und ich wollte nicht mehr jeden Tag diese Tablette nehmen, weil ich ständig Kopfweh und Migräne hatte. In der Pillenpause hatte ich diese Probleme nicht. Meine Brüste waren ab dem zweiten oder dritten Pausentag wieder normal, also versuchte ich es einfach ohne. Da war ich gerade mal zwölf.

Bis ich vierzehn war, verschwendete ich dann keinen Gedanken mehr an die Pille und es ging mir deutlich besser. Die Kopfschmerzen wurden seltener und hörten schließlich fast ganz auf. Und dann hatte ich auf einmal einen Freund. Das Erste, was meine Mutter machte, als ich ihn ihr vorstellte, war ein Termin beim Frauenarzt. Ich solle wieder die Pille nehmen, alles andere sei unsicher. Ich ging also wieder zu der mir unliebsamen Frauenärztin und sie schimpfte mit mir. Sie fragte, warum ich denn einfach die Pille abgesetzt hätte und erklärte, dass Kondome viel zu unsicher seien. Sie empfahl mir die Dreimonatsspritze oder die Pille. Aus Angst vor Spritzen entschied ich mich für die Pille.

Im Nachhinein betrachtet war das das kleinere Übel. Ich verstehe bis heute nicht, wie die Ärztin einer Vierzehnjährigen die Dreimonatsspritze vorschlagen konnte... Das war nun meine dritte Pille, die Minisiston 20fem. Auch zu dieser Pille gab es eine kleine Geschenkbox, diesmal mit Kondomen und einem Heft zur sexuellen Aufklärung. Sowie ich mit der Pille anfing, kamen auch die Migräneattacken wieder. Ich nahm an Gewicht zu, fror ständig, hatte depressive Verstimmungen, meine Brüste schmerzten. Meine Freunde kamen und gingen und dann bekam ich meinen ersten richtigen Freund, mit dem ich auch Sex hatte. Leider war Sex für mich nicht immer mit Spaß verbunden. Immer wieder hatte ich Risse in der Vagina, Blasenentzündungen und Pilzerkrankungen – alles Nebenwirkungen der Pille, wie ich später erfuhr.

Als ich fast achtzehn war, stieß ich im Internet auf ein medizinisches Forum. Ich schilderte meine Probleme und bekam den Rat: Pille absetzen und mit Kondomen und NFP verhüten. Anfangs war ich sehr skeptisch, inwiefern das sicher sein konnte – schließlich wurde mir jahrelang eingeredet, dass nur die Pille wirklich sicher vor einer Schwangerschaft schützt. Nach einer kurzen Bedenkzeit schlug ich das ganze Vorhaben meinem Freund vor. Er war zunächst nicht begeistert: »Kondome machen keinen Spaß« – »NFP? Nie gehört! Wie nimmt man das?« und so weiter. Schließlich willigte er aber ein, da ihm meine dauernden Stimmungsschwankungen und Infektionen auch auf die Nerven gingen.

Den ersten Tag ohne Pille, den ersten Tag, an dem ich meine Temperatur messen durfte, werde ich nicht so schnell vergessen. Ich starrte stundenlang den kleinen Punkt in der Kurve an und freute mich wie eine Schneekönigin auf die Dinge, die da vor mir lagen. Allerdings hatte ich nicht mit den Nachwirkungen der Pille gerechnet: Mein sonst so regelmäßiger Zyklus war plötzlich zwischen fünfzig und siebzig Tage lang, ich bekam Pickel ohne Ende, das ständige Frieren hörte nicht auf.

Ich ging mit den Beschwerden zu meinem Hausarzt. Er überwies mich umgehend zum Nuklearmediziner, der meine Schilddrüse untersuchen sollte. Nach einer Szintigraphie, mit der Organfunktionen sichtbar werden, und zusätzlichen Bluttests eröffnete er mir, dass meine Schilddrüse viel zu klein sei und ich an einer Unterfunktion leide. Er fragte mich, ob ich hormonell verhüte und ich erzählte ihm von der jahrelangen Einnahme der Pille. Der Arzt war nicht weiter überrascht. Er erklärte mir, dass das eine der weniger schönen, aber leider gar nicht so seltenen Nebenwirkungen der Pille sei. Seitdem nehme ich Tabletten für meine Schilddrüse, die jetzt alle vier Monate kontrolliert werden muss.

Und das für den Rest meines Lebens.

Danke, Pille!